Wahlplakat von Hubert Aiwanger

Vorwürfe gegen Aiwanger Immer neue Rufe nach Aufklärung

Stand: 31.08.2023 15:47 Uhr

In der CSU sorgen die Erklärungen von Bayerns Vize-Regierungschef Aiwanger zur Flugblatt-Affäre für Unmut, aus der SPD gibt es weiter Rücktrittsforderungen. Auf Druck der Opposition in Bayern tagt der Landtag kommende Woche in einer Sondersitzung.

Die Kritik an Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Schulzeit verstummt auch nach fünf Tagen nicht. So fordern führende Unions-Politiker vollständige Aufklärung.

"Das ist eine höchst unappetitliche Geschichte", sagte CDU-Chef Friedrich Merz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass 17- oder 18-jährige Schüler noch in den 1980er-Jahren so etwas schreiben. Das muss nun wirklich vollständig aufgeklärt werden."

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte dem Sender Welt-TV am Rande einer Klausurtagung der Unionsfraktion, bisher sei Aiwanger "sehr, sehr schmallippig geblieben". Das sei der aktuellen Situation sicher nicht angemessen. Auf die Frage, ob er aktuell noch keinen Rücktritt von Aiwanger fordere, sagte Dobrindt: "Es geht jetzt darum, dass Klarheit entsteht, und dann kann man über Weiteres reden." Es gehöre zu einem fairen Verfahren, dass Klarheit geschaffen werde, und vor allem, dass Aiwanger sich erkläre.

SPD-Vizefraktionschef: Rücktritt ist einzige Konsequenz

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Dirk Wiese, forderte Aiwangers sofortigen Rücktritt. "Das, was täglich Stück für Stück das Licht der Welt erblickt, ist eine Geisteshaltung, die nur noch eine Konsequenz haben kann - Rücktritt", sagte er der "Rheinischen Post". Bliebe der Chef der Freien Wähler noch länger im Amt, "wird das auch für Markus Söder mehr und mehr zum Problem".

Auschwitz Komitee vermisst echte Entschuldigung

Der geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sieht bisher keine echte Entschuldigung von Aiwanger. "Bis heute hat Hubert Aiwanger kein einziges authentisches Wort der Entschuldigung gegenüber den Opfern des Holocaust und den Überlebenden von Auschwitz gefunden, die durch das unsägliche antisemitische Flugblatt verhöhnt und herabgewürdigt worden sind", sagte Heubner.

Er sprach von einem "verheerenden Bild", das Aiwanger und seine Parteifreunde im Umgang mit der Affäre an den Tag legten und mit dem sie Bayern und Deutschland weiteren Schaden zufügten.

Freie Wähler stehen hinter ihrem Parteichef

Der Landesvorstand der Freien Wähler in Bayern, der Vorstand der Landtagsfraktion und die Kabinettsmitglieder der Freien Wähler in dem Bundesland stellten sich derweil "geschlossen" hinter Aiwanger.

Aiwanger soll laut "Süddeutscher Zeitung" als 17-Jähriger ein antisemitisches Hetzblatt verfasst haben. Er selbst wies das schriftlich zurück. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Die Schule habe daraufhin ein Disziplinarverfahren gegen ihn angestrengt. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben. Ein früherer Mitschüler berichtete dem ARD-Magazin Report München, Aiwanger habe als jüngerer Schüler ab und zu in der Klasse "einen Hitlergruß gezeigt". Auch judenfeindliche Witze seien "definitiv gefallen".

"Ich war noch nie Antisemit"

Aiwanger sprach im Onlinedienst X (vormals Twitter) von einer "Schmutzkampagne" gegen sich. Am Mittwochabend wehrte sich der Freie-Wähler-Chef zudem vehement gegen Antisemitismus-Vorwürfe. "Ich war noch nie Antisemit oder Extremist", sagte er in München. "Vorwürfe gegen mich als Jugendlicher sind mir nicht erinnerlich, aber vielleicht auf Sachen zurückzuführen, die man so oder so interpretieren kann."

Sondersitzung des Landtags in einer Woche

Raum für Interpretationen sollte Aiwanger bei der Beantwortung der 25 Fragen, die Regierungschef Markus Söder von seinem stellvertretenden Ministerpräsidenten einfordert, möglichst nicht zulassen. Söder hatte Aiwanger dafür keine Frist gesetzt.

Am Donnerstag kommender Woche befasst sich der bayerische Landtag in einer Sondersitzung mit dem Fall. Landtagspräsidentin Ilse Aigner werde auf Antrag von Grünen, SPD und FDP den sogenannten Zwischenausschuss einberufen, teilte der Landtag mit. Dieses Gremium kann nach der letzten Plenarsitzung vor einer Landtagswahl dringliche Angelegenheiten behandeln. Nur ein Teil der Landtagsabgeordneten ist dort Mitglied - aktuell sind es genau fünf.

In Bayern wird in fünfeinhalb Wochen ein neuer Landtag gewählt. Die CSU regiert derzeit gemeinsam mit den Freien Wählern. Söder will die Koalition nach eigenen Angaben trotz der Affäre fortsetzen. Zugleich deutete er am Dienstag an, dass dies auch ohne Aiwanger denkbar sei.

Schule hat keine Unterlagen mehr

Aiwangers damalige Schule - das Burkhart-Gymnasium Mallersdorf-Pfaffendorf - wird zur Wahrheitsfindung wohl nicht mehr beitragen können. Es seien "keine Unterlagen zur Behandlung des Falls Aiwanger im Schuljahr 1987/88 vorhanden", teilte das Kultusministerium auf BR-Anfrage mit. "Im Einklang mit der geltenden Rechtslage" müssten Schullaufbahnbögen von Schülern, die die jeweilige Schule verlassen haben, nur ein Jahr aufbewahrt werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 31.August 2023 um 16:00 Uhr.