Sommerpressekonferenz von Kanzlerin Merkel

Desinformation auf Twitter Russische Trolle für und gegen Merkel

Stand: 09.08.2018 16:06 Uhr

Russische Trolle haben versucht, auf Twitter den Wahlkampf in Deutschland zu beeinflussen. Datenanalysen zeigen, wie sie Stimmung für und gegen Merkel machen wollten.

Von Von Karolin Schwarz und Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

Russische Trolle haben versucht, die Diskussionen in sozialen Medien vor der Bundestagswahl zu manipulieren. Das zeigt eine Analyse aus den USA. Dort wird eine russische Einflussnahme auf den US-Wahlkampf 2016 untersucht.

In diesem Zusammenhang wurden dort Daten von Twitter-Profilen veröffentlicht, die als russische Trolle gesperrt worden waren. Twitter hatte zuvor durch Analysen Tausende Konten identifiziert, die mit der russischen Internet Research Agentur (IRA) in Verbindung stehen sollen. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags bezeichnet die IRA in St. Petersburg als "staatliche Trollfabrik". Aussteiger berichteten zudem über ihre Arbeit für die russische Propaganda.

CDU-freundliche Bot-Armee?

Die Daten, die in den USA veröffentlicht wurden, umfassen auch deutschsprachige Twitter-Profile. Darunter sind Accounts, die in Deutschland bereits für Irritation gesorgt hatten. Twitter-Nutzer mutmaßten über eine Bot-Armee, die CDU-freundlich gesonnen sei.

Maria, Margareth und Tina für Merkel

Oft gaben sich die russischen Profile als junge Frauen aus - Maria, Margareth und Tina beispielsweise. Diese mischten sich in aktuelle Diskussionen über politische Talkshows ein und twitterten gezielt Politiker an, darunter Renate Künast, Christian Lindner und Peter Tauber. Eine "Christina Pool6" schrieb beispielsweise am 12. August 2016 an den CDU-Politiker Tauber:

Hätten Sie was dagegen, wenn die Jugend auch weiter für Merkel wird? #JugendmitMerkel

Neben #JugendmitMerkel setzten die russischen Trolle bereits im Juli 2016 den Hashtag  #merkelmussbleiben auf Twitter ein und hievten diesen in die "Trending Topics".

Um die eigenen Tweets weiter zu verbreiten, benutzten die Trolle zudem Hashtags, die gerade populär waren, beispielsweise #girlstalkselfies oder #CarPoolKaraoke. So twitterte eine "Margareth Kurz" an diesem Tag:

Mittelstand und Industrie bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft #Merkelmussbleiben #CarpoolKaraoke

Und ein "Peter Kistner", dessen Profil ebenfalls als russischer Troll identifiziert worden ist, verkündete:

#Merkel bewältigt ihre Arbeit #Merkelmussbleiben #girlstalkselfies

CDU unter Verdacht

Die russischen Trolle waren viele Monate aktiv. Der Journalist Udo Stiehl twitterte im April 2017, ihm seien seit Wochen merkwürdige Accounts als neue Follower aufgefallen. Einige Nutzer mutmaßten, die CDU selbst stecke hinter diesen Accounts. Eine Spekulation, die wiederum die russischen Trolle aufgriffen: So verbreiteten sie beispielsweise einen Tweet weiter, in dem es hieß, die CDU habe eine Bot-Armee aufgestellt.

Doch der Verdacht gegen die CDU war falsch. Aus den analysierten Daten aus den USA wird nun klar: Es handelte sich um russische Trolle, die international aktiv waren. Was sie mit den plumpen Versuchen, Stimmung für Merkel zu machen, genau erreichen wollten - darüber lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise wollten sie die CDU in Verdacht bringen, selbst Fake-Profile einzusetzen.

Trolle machen Merkel für Terror verantwortlich

Wie in den USA war es zudem offenkundig Ziel der Trolle, Diskussionen zu polarisieren und politische Debatten anzuheizen. Denn während die russischen Trolle auf Deutsch vorgeblich Stimmung für Merkel machten, verbreiteten sie auf Englisch Inhalte, die sich sehr klar gegen die Kanzlerin richteten.

So machten entsprechende Profile Merkel direkt verantwortlich für den Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz, den Anschlag im Münchner Olympia-Einkaufszentrum sowie sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge. Häufig setzten sie Hashtags wie #RefugeesNotWelcome und #IslamKills ein oder bezeichneten die Kanzlerin als die "deutsche Hillary Clinton" - eine weitere Parallele zum US-Wahlkampf.

Troll-Profil schaltete sich in Debatten ein

Zu den erfolgreichsten Troll-Profilen der russischen Internet Research Agency gehörte "Jenna Abrams". In ihren drei Jahren auf Twitter sammelte sie eine Gefolgschaft von mehreren zehntausend Accounts um sich. Und Jennas Publikum umfasste längst nicht nur Bots und Fake-Accounts: Ihre Tweets wurden unter anderem in der "New York Times", bei CNN und Breitbart zitiert; auf Twitter lieferte sie sich Diskussionen mit Prominenten wie der Schauspielerin Roseanne Barr. Auch in Deutschland finden sich auf Twitter Profile, die ähnlich wie "Jenna Abrams" aufgebaut sind und agieren.

Der russische Troll-Account "Jenna Abrams" war es auch, der eine der bekanntesten Falschmeldungen über Merkel international verbreitete. Die Behauptung: Ein syrischer Flüchtling, der ein Selfie mit Merkel gemacht hatte, habe einen Terroranschlag in Brüssel verübt. Kurz nachdem rechtsradikale deutsche Medien diese Falschmeldung samt Foto veröffentlicht hatten, stieg auch "Jenna" auf das Thema ein. Ihr Tweet dazu wurde mehr als 1000 Mal geteilt und auf der ganzen Welt verbreitet.

In Russland beispielsweise war es ein Journalist der bekannten Zeitung "Komsomolskaja Prawda", der diese gezielte Falschmeldung wiederum teilte. Online-Portale in Osteuropa übernahmen die Fake News ebenfalls - und bezogen sich dabei auf das russische Troll-Profil "Jenna Abrams".

Screenshot

Eine kroatische Seite, die unter Bezug auf "Jenna Abrams" die Fake News verbreitete.

Die russischen Trolle verbreiteten zudem Falschmeldungen über eine Brandstiftung an einer Dortmunder Kirche durch Muslime und eine angeblich durch die Regierung forcierte Zensur in Deutschland.

Lokale Nachrichtenseiten aufgebaut

Ohne größeren Widerhall blieben mehrere vermeintliche Lokalnachrichtenseiten, die von den russischen Trollen aufgebaut wurden. Sie nannten sich HamburgBote, BerlinBote oder DresdenBote. Durch eine lokale Verankerung sollte wohl die Glaubwürdigkeit der Quellen erhöht werden.

Deutschland ein Hauptaktionsfeld

Kurz vor der Bundestagswahl verstummten die 2752 identifizierten Accounts. Twitter löschte sie. Ein Schritt, den Wissenschaftler in einer Untersuchung kritisierten, da dies die Analyse der Troll-Netzwerke erschwere.

Die internationale Forschergruppe kam bei Analysen zu dem Schluss, dass Deutschland neben den USA ein Hauptaktionsfeld der russischen Trolle sei. Wie viele neue Accounts seitdem in den Büros der russischen Trollfabrikanten erstellt wurden, ist nicht bekannt.