Menschen stehen am Kölner Hauptbahnhof für einen Corona-Test an
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Corona-Ausbrüche Dünne Datenbasis zum Infektionsgeschehen

Stand: 28.10.2020 11:55 Uhr

Die meisten Corona-Ausbrüche gebe es zu Hause oder im privaten Umfeld, meldet das RKI. Doch die Datenbasis dafür ist dünn. Denn die meisten Infektionsquellen lassen sich gar nicht mehr ermitteln.

Nur zwei Wochen ist es her, als auf einem vermeintlich "historischen" Treffen zwischen Bund und Ländern Maßnahmen beschlossen wurden, um die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus einzudämmen. An diesem Tag hatte das Robert Koch-Institut gut 5000 Neuinfektionen gemeldet; die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 31,5 Fällen. Bundesweit hatten 47 Städte/Landkreise den 50er-Wert überschritten.

Nach zehn bis 14 Tagen sollten die Maßnahmen wie Sperrstunde und Beherbungsverbot - das in vielen Ländern längst wieder gekippt wurde - geprüft werden. Die Bilanz fällt verheerend aus: Mittlerweile liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen bei fast 15.000, die Sieben-Tage-Inzidenz bei 87 Fällen. Die meisten Landkreise haben den Grenzwert bei der Inzidenz von 50 gerissen, viele liegen sogar über 100, einige über 200. Zudem verdoppelte sich die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle innerhalb von 14 Tagen. Auch die tägliche Zahl der Todesfälle wächst deutlich - auf nun 85 an einem Tag.

Corona-Pandemie in Deutschland
Datum Neuinfektionen Sieben-Tage-Inzidenz Todesfälle
14. Oktober 5132 31,5 43
28. Oktober 14.964 87 85

Meiste Infektionen im privaten Bereich?

Die Corona-Karte von Deutschland hat sich tiefrot gefärbt. Nun sollen neue Maßnahmen her, alles weist auf Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich hin. Denn die meisten Menschen steckten sich im privaten Bereich an, heißt es immer wieder zur Begründung. Basis für diese Aussage ist das RKI, das im Lagebericht meldet, in den meisten Landkreisen handele "es sich zumeist um ein diffuses Geschehen, mit zahlreichen Häufungen in Zusammenhang mit privaten Feiern im Familien- und Freundeskreis".

Weiterhin führt das RKI diverse Bereiche auf, die demnach zum Anstieg der Inzidenz durch "viele kleinere Ausbrüche" beitragen. Dazu zählten Alten- und Pflegeheime sowie "Ausbrüche in Krankenhäusern, Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, Gemeinschaftseinrichtungen, Kindertagesstätten und Schulen, verschiedenen beruflichen Settings sowie im Zusammenhang mit religiösen Veranstaltungen".

Viele Infektionsquellen unklar

Allerdings ist die Datenbasis für solche Aussagen dünn: Viele Gesundheitsämter können längst nicht mehr nachverfolgen, wo sich Menschen infiziert haben. In Hamburg beispielsweise teilte der Senat am Dienstag mit, bei 300 Neuinfektionen habe man lediglich in 19 Fällen die Ursache feststellen können - also weniger als zehn Prozent. Es habe sich dabei um einen Reiserückkehrer und 18 Fälle im privaten Bereich gehandelt. Wo sich aber wiederum die festgestellte Infektionsquelle in dem privaten Bereich angesteckt hatte, bleibt unklar.

Die Aussagen zu den Infektionsquellen beziehen sich zudem lediglich auf Ausbrüche - also mindestens zwei Infektionen, die in einem Zusammenhang stehen sollen. Doch lediglich etwa ein Viertel der insgesamt gemeldeten Fälle habe überhaupt einem Ausbruch zugeordnet werden können, schreibt das RKI in seinem Lagebericht.

Grafik Anzahl Covid-19 Fälle nach Ausbrüchen und Ort

Grafik mit beschränkter Aussagekraft: Die meisten Infektionen werden hier gar nicht berücksichtigt.

RKI relativiert Aussagekraft

Folgt man der RKI-Darstellung, finden die meisten Ausbrüche zuhause statt, aber auch der Arbeitsplatz spielt demnach eine Rolle. Der Bereich "Freizeit", der nun mutmaßlich besonders stark eingeschränkt werden soll, liegt weit dahinter. Speisestätten spielen demnach ebenfalls kaum eine Rolle. Viele der festgestellten Ausbrüche werden aber gar nicht spezifiziert, sondern in der Kategorie "weitere" angegeben.

Das RKI schränkt die Aussagekraft der Statistik daher selbst stark ein: Die Angaben zum Infektionsumfeld von Ausbrüchen seien "mit Zurückhaltung zu interpretieren", die Zuordnung sei "nicht immer eindeutig". In einigen Ausbrüchen spielten mehrere Situationen eine Rolle und es lasse "sich nicht immer abgrenzen, wo genau die Übertragung stattgefunden hat". In einigen Umfeldern, beispielsweise im Bahnverkehr, lassen sich Ausbrüche nur schwer ermitteln, da in vielen Fällen die Identität eines Kontaktes im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbar ist, daher könnten solche Bereiche "untererfasst" sein.

Die meisten Fälle nicht berücksichtigt

Der Virologe Christian Drosten sagte im NDR-Podcast, es sei für viele Menschen im Nachhinein kaum festzustellen, wo man sich infiziert hat. Das gelte für öffentliche Verkehrsmittel, aber auch für Situationen bei der Arbeit oder in der Gastronomie. An eine Familienfeier erinnere man sich hingegen. Ganz abgesehen davon könnten die meisten Infektionsquellen ohnehin nicht nachvollzogen werden.

Das zeigt sich auch in den Daten zu den Infektionsquellen: Für die vergangene Woche umfasst die Darstellung des RKI lediglich etwa 8000 Fälle - von rund 70.000 registrierten Neuinfektionen. Eine breite Datenbasis zu Aussagen über Infektionsquellen liegt also gar nicht vor, da sich die RKI-Angaben lediglich auf Ausbrüche mit mindestens zwei Fällen beziehen, von denen immer mehr gar nicht erkannt und/oder zugeordnet werden können.