Blutkonserven werden im Zentrallabor des DRK-Blutspendedienstes gefiltert und aufbereitet.
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DRK & Co. Was passiert mit den Blutspenden?

Stand: 27.06.2022 15:01 Uhr

Das Deutsche Rote Kreuz ruft regelmäßig zu Blutspenden auf und warnt vor einer "kritischen Versorgungslage". Der Bedarf wird jedoch oft angezweifelt und dem DRK vorgeworfen, sich an den Spenden zu bereichern. Was ist dran?

Von Andrej Reisin und Pascal Siggelkow, Redaktion ARD-faktenfinder

Die Deutschen spenden immer weniger Blut: Knapp 6,4 Millionen Blutspenden wurden dem Paul-Ehrlich-Institut für das Jahr 2020 gemeldet - 16 Prozent weniger als noch 2011. Vor allem bei den Vollblutspenden, bei denen etwa 500 Milliliter Blut entnommen werden, geht der Anteil stetig zurück. Das Deutsche Rote Kreuz warnte daher bereits vor einer "kritischen Versorgungslage". Ein Notstand müsse unter allen Umständen vermieden werden.

Gleichzeitig halten sich rund um das Thema einige Erzählungen hartnäckig, die sicher nicht zu einer höheren Spendenbereitschaft beitragen. Aber was ist an den einzelnen Vorwürfen dran?

Wie viel Geld verdienen Blutspendedienste?

Das Deutsche Rote Kreuz mit seinen bundesweit sechs Blutspendediensten deckt eigenen Angaben zufolge etwa 75 Prozent des Bedarfs in Deutschland ab und steht daher besonders im Fokus. Anders als bei einigen privaten Blutspendediensten und Unikliniken erhalten Menschen für ihre Spende beim DRK keine finanzielle Aufwandsentschädigung. Dafür gibt es nach der Spende Snacks und Getränke gratis. Zum Vergleich: Die größte private Blutspendeeinrichtung mit bundesweit 41 Spendezentren, Haema, zahlt Blutspendern eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 20 Euro. Der Verdacht liegt nahe, dass das DRK dementsprechend viel Gewinn mit den Blutspenden macht.

"Als gemeinnützige GmbH sind die DRK-Blutspendedienste verpflichtet, kostendeckend zu arbeiten", sagt Patric Nohe, Pressesprecher vom DRK. Das bedeute, dass Erlöse aus dem Verkauf von Blutkonserven "unmittelbar und ausschließlich" dafür eingesetzt werden müssen, die Kosten für die Blutspendedienste zu decken. Da komme einiges zusammen, sagt Nohe: "Es ist wichtig zu wissen, dass das Blut nicht von dem Spender zum Empfänger durchgereicht wird, sondern dass aufwendige Test- und Verarbeitungsschritte zwischen Spende und Transfusion liegen."

Blutpräparate in Deutschland deutlich günstiger

Hinzu kämen Kosten für die Werbung der Blutspender, die Organisation der Blutspendetermine, den Vertrieb und das Personal. "Blutpräparate und Dienstleistungen dürfen nur so viel kosten, dass der Aufwand, der für ihre Herstellung erforderlich ist, finanziert werden kann", sagt Nohe. Der Preis für eine Blutkonserve liege in Deutschland momentan zwischen 95 und 130 Euro. "Ein Blick auf Europa zeigt: In Deutschland liegen die Preise für eine Blutkonserve bei höchster Qualität bis zu 50 Prozent unter dem europäischen Niveau."

Dem stimmt auch Britta Diebel, Unternehmenssprecherin von Haema, zu. "Der deutsche Blutmarkt ist durch eine Trägervielfalt von Blut- und Plasmaspendediensten gekennzeichnet, was ein niedrigeres Preisniveau für Blutprodukte zur Folge hat." Dass das DRK als gemeinnützige Organisation im Vergleich zu privaten Anbietern gewisse Privilegien genießt, sei für sie kein Problem. "Die Vielfalt der Spendedienste ist positiv." Der Markt sei ausreichend robust für mehrere Anbieter.

Rücklagen für zukünftige Investitionen

Auch wenn die Blutspendedienste des DRK kostendeckend arbeiten sollen, konnten sie in den vergangenen Jahren auch beachtliche Rücklagen bilden. Alleine der DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen verfügt laut dem öffentlich einsehbaren Konzernabschluss über Rücklagen in Höhe von 153 Milllionen Euro.

Kritik daran weist Nohe von sich: "Dass auch eine gemeinnützige Organisation gut wirtschaften sollte und zum Beispiel Rücklagen bildet, ist nicht verwerflich, sondern ein Gebot. Und weil jedes verantwortungsvoll handelnde Unternehmen auch investieren muss, entsteht im Idealfall ein positives Ergebnis, das für weitere Investitionen dringend benötigt wird." Anders als bei privatwirtschaftlichen Unternehmen würden die Überschüsse eben nicht dafür genutzt, um beispielsweise Gewinne auszuschütten.

Vielmehr würden die Rücklagen eingesetzt, um neue Fahrzeuge, modernere Geräte oder einfach Büroutensilien zu finanzieren. "Wir nutzen das Geld, um in fortlaufende Prozesse und damit in den Erhalt unserer Leistungsfähigkeit beziehungsweise des Gemeinwohls zu investieren", sagt Nohe.

Kein Verkauf von Blutpräparaten ins Ausland

Auch der Vorwurf, das DRK verkaufe Blutpräparate ins Ausland, ist nach Angaben von Nohe haltlos. "Die DRK-Blutspendedienste verkaufen kein Blut ins Ausland." Auch die private Blutspendeeinrichtung Haema verkauft keine Blutpräparate ins Ausland, wie Unternehmenssprecherin Diebel mitteilt: "Wir verkaufen Produkte an Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte in verschiedenen Bundesländern."

Die einzige Ausnahme beim DRK bildet Blutplasma. Überschüssiges Plasma, das in den Kliniken nicht direkt benötigt werde, "wird an die Pharmaindustrie zur Herstellung lebensrettender Medikamente aus Blutplasma abgegeben", sagt Nohe. Aufgrund der kurzen Haltbarkeit des Plasmas müsste es ansonsten entsorgt werden. Da in Deutschland nach Angaben des DRK kein selbstständiges Unternehmen dieses Produkt mehr herstellt, wird das Blutplasma "in Ermangelung an Alternativen an Unternehmen abgegeben, die ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben".

Die daraus hergestellten Medikamente kämen jedoch in großen Teil wieder nach Deutschland zurück. Wie viel Plasma aus den Vollblutspenden entnommen werde, sei zudem nicht die Entscheidung des DRK, sondern der Kliniken. Mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Plasmas an die Pharmakonzerne würden die anderen Blutprodukte querfinanziert, sagt Nohe. Dadurch könnten die verhältnismäßig günstigen Preise beispielsweise der Blutkonserven gesichert werden.

Plasmamangel in Europa

Die Weitergabe von anderen Blutprodukten als Plasma ins Ausland sei nur in Ausnahmesituationen denkbar, beispielsweise wenn es an der deutsch-österreichischen Grenze zu einem Unglück kommen würde, wo akut viel Blut benötigt wird. "In ukrainische Kriegsgebiete werden aktuell keine Blutpräparate geliefert. Wir unterstützen jedoch beispielsweise mit der Bereitstellung von speziellen Kühlfahrzeugen oder Blutbeutelsystemen zur Abnahme von Blutspenden vor Ort", sagt Nohe. Allein aus logistischen Gründen sei es schwierig, Blutpräparate in andere Länder zu liefern, da diese sehr aufwendig gekühlt werden müssten.

Der Verkauf von Blutpräparaten außerhalb Europas mache zudem schon wenig Sinn, weil sich die europäischen Länder beispielsweise nicht selbst mit Plasmapräparaten versorgen könnten. Einige europäische Kliniken würden daher Plasmapräparate aus den USA einkaufen.

Gibt es bereits genug Blutspenden?

Ein weiterer Vorwurf gegen das DRK lautet, dass es wiederholt zum Blutspenden aufruft, obwohl es bereits genug Blut in Deutschland gebe. Auch dem widerspricht Nohe: Das DRK unterstütze bereits seit einigen Jahren das sogenannte Patient-Blood-Management-Programm. Das Programm hat sich zur Aufgabe gemacht, dass in deutschen Krankenhäusern blutsparender gearbeitet wird. Das kann beispielsweise dadurch erreicht werden, indem Wundblut während einer Operation aufbereitet und zurückgegeben wird, um so nicht auf Fremdblut zurückgreifen zu müssen.

Außerdem hätten die Blutspendedienste keinen Einfluss auf den Blutbedarf der Kliniken, sagt Nohe. "Vielmehr arbeiten die Blutspendedienste versorgungsorientiert, sie können den Bedarf der Krankenhäuser nicht steuern, da dieser von vielen Faktoren abhängig ist." Viele Erkrankte seien außerdem ihr Leben lang auf Blutpräparate angewiesen. "Die aufgestellte Behauptung, es gebe zu viel Blut, ist nicht zuletzt vor diesem Hintergrund falsch, brandgefährlich und unverantwortlich zugleich", warnt Nohe.

Ein Grund für die regelmäßigen Blutspendenaufrufe sei auch die kurze Haltbarkeit einiger Blutpräparate. Erythrozytenkonzentrate seien lediglich 42 Tage haltbar, die ebenfalls aus Spenderblut extrahierten Thrombozyten (Blutplättchen) sogar nur vier bis fünf Tage. Auch der private Anbieter Haema sieht einen hohen Bedarf an Blutspenden. "Deutschland braucht mehr Blut- und Plasmaspender, um mit der Nachfrage der Patienten Schritt zu halten", so Unternehmenssprecherin Diebel.

Warum bezahlt das DRK nicht für die Spenden?

Doch wenn der Bedarf an Blutspenden so hoch ist, bleibt die Frage, warum das DRK nicht ähnlich wie andere Blutspendedienste die Menschen für ihren Aufwand finanziell entschädigt. Dagegen spricht laut Nohe zunächst einmal der altruistische Gedanke des Spendens. Die Menschen sollten Blut spenden, um anderen Menschen zu helfen und nicht, weil sie damit Geld verdienen können. Zudem zeige die Situation bei privaten Anbietern, dass finanzielle Anreize allein die Spendenbereitschaft nicht zwangsläufig erhöhen würden.

Ein weiteres Problem bei einer Bezahlung sei, dass Menschen möglicherweise für die Spende relevante Informationen unterschlagen könnten, um nicht von einer Spende ausgeschlossen zu werden. "Eine Spende basiert auf Vertrauen", sagt Nohe. "Wir können nicht alle Angaben, die vor einer Spende abgefragt werden, auf ihre Richtigkeit überprüfen."

So wird beispielsweise gefragt, ob ein Spender kürzlich eine Infektion durchgemacht habe. Eine falsche Angabe könnte fatale Konsequenzen haben. Denn auch wenn das Blut eines Spenders untersucht wird, werden dabei nicht zwangsläufig alle potentiellen Gefahren erkannt. Umso wichtiger sei es daher, dass diese im Vorfeld bereits ausgeschlossen werden. Eine finanzielle Aufwandsentschädigung könne daher falsche Anreize bei potentiellen Spendern setzen. Ähnlich verhalte es sich auch bei anderen Modellen wie beispielsweise Urlaubstagen.

Haema hält an Aufwandsentschädigung fest

Das Unternehmen Haema schätzt die Gefahr als deutlich geringer ein und hält an der Aufwandsentschädigung für Spender fest. "Durch medizinische Kontrollen und Labortests wird die Eignung der Spender streng überwacht", teilt Unternehmenssprecherin Diebel mit. "Spenderschutz und Produktsicherheit haben für Haema oberste Priorität."

Patrick Nohe vom DRK setzt hingegen auf alternative Ansätze, die jedoch von der Politik ausgehen müssten. "Denkbar wäre es zum Beispiel, dass Spender Vergünstigungen für städtische Angebote wie Museen oder Schwimmbäder erhalten - allerdings nicht direkt nach der ersten Spende." So könne ein Anreiz für regelmäßige Blutspenden geschaffen werden, ohne das Risiko von möglichen Falschangaben zu erhöhen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der NDR in der Sendung Visite am 31. Mai 2022 um 20:15 Uhr.