Interview

Zehn Jahre UN-Menschenrechtsrat "Hoffe, er wird irgendwann überflüssig"

Stand: 13.06.2016 15:15 Uhr

Seit zehn Jahren kämpft der UN-Menschenrechtsrat weltweit für Bürgerrechte. Sein Berater Jean Ziegler sieht zwar Teile der Welt in einem "fürchterlichen Zustand", im Gespräch mit der ARD äußert er aber die Hoffnung, dass der Rat irgendwann nicht mehr benötigt wird.

ARD: Herr Ziegler, warum brauchen wir eine Institution wie den UN-Menschenrechtsrat?

Jean Ziegler: Die Menschenrechte sind in vielen Teilen der Welt in einem fürchterlichen Zustand - denken Sie zum Beispiel an Syrien, Darfur oder Mali. Und es braucht eine Instanz, die wenigstens das Schweigen bricht. Natürlich: Untersuchungskommissionen für Syrien oder Gaza oder Dafur bringen keine Menschenleben zurück, aber sie bringen Licht ins Dunkel. Die Täter von Menschenrechtsverletzungen werden benannt und vielleicht einmal vor Gericht gebracht. Und das ist Gold wert.

ARD: Kann man denn sagen, die zehn Jahre Menschenrechtsrat sind auch eine Erfolgsgeschichte?

Ziegler: Sie sind eine Erfolgsgeschichte, weil der Menschenrechtsrat sehr viel arbeitet. Er hat Spezialberichterstatter, die für alle Bereiche wie Hungersnöte oder Wasserarmut Berichte abliefern. Die werden veröffentlicht und können so von den Zivilgesellschaften als Argumente dienen im Kampf für die Menschenrechte. Auch wenn diese in einem fürchterlichen Zustand sind, bleibt ihre Einhaltung das Ziel jeder zivilisierten Gesellschaft.

Der UN-Menschenrechtsrat in Genf

Der Sitzungssaal des UN-Menschenrechtsrates in Genf

ARD: Was sind denn die entscheidenden Verdienste des UN-Menschenrechtsrats?

Ziegler: Zwei Verdienste hat er ganz sicher: Erstens überwacht er die Menschenrechtspolitik der 193 UN-Mitgliedsstaaten und schaut, ob die Vorgaben erfüllt werden. Zweitens schafft der Rat dort neue Völkerrechtsnormen, wo nach einem Umbruch neue soziale Strukturen aufgebaut werden.

ARD: Nun sitzen ja auch Länder im Menschenrechtsrat, die Menschenrechte mit Füßen treten. Ist das nicht ein Grundproblem dieser Institution?

Ziegler: Die Universalität ist für die UN ein entscheidendes Prinzip. Besser ist es, die Halunken im Rat zu haben, sie zu überwachen, als ihnen in der Nacht nachzulaufen.

Zur Person: Jean Ziegler

Jean Ziegler lehrte bis 2002 Soziologie an der Universität Genf und als ständiger Gastprofessor an der Sorbonne in Paris. Er war von 2000 bis 2008 erster UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Heute gehört er dem beratenden Ausschuss des UN-Menschenrechtsrats an. Ziegler hat sich in vielen Schriften kritisch mit der Globalisierung auseinandergesetzt.

ARD: Was wünschen Sie dem Menschenrechtsrat für die nächsten Jahre und Jahrzehnte?

Ziegler: Ich wünsche ihm, dass er selbst einmal überflüssig wird, dass die Menschenrechte zu Normen jeder vernünftigen Gesellschaft werden - zu einem gelebten Gesetz, sodass das Gremium nicht mehr gebraucht wird. Aber so lange der Menschenrechtsrat noch da ist, wünsche ich ihm eine viel größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Denn das Entscheidende ist, dass die Zivilgesellschaften vom Menschenrechtsrat Unterstützung erhalten, um gegen die menschenverachtenden Regime vorzugehen.

Der UN-Menschenrechtsrat

Der UN-Menschenrechtsrat hat 2006 die UN-Menschenrechtskommission abgelöst. Seine Aufgabe ist es, die Menschen- und Bürgerrechte in den Mitgliedsstaaten zu schützen und zu fördern. Der Rat setzt sich aus 47 Mitgliedsstaaten zusammen, die von der UN-Vollversammlung gewählt werden. Jährlich wird etwa ein Drittel von ihnen neu bestimmt.Der Menschrechtsrat kann Resolutionen beschließen und Beobachter in Mitgliedsländer schicken, Sanktionen kann er aber nicht verhängen.

Das Interview führte Daniel Hechler, ARD-Studio Genf.

Das Interview führte Daniel Hechler, SWR