Eine bosnisch-muslimische Frau trauert an einem Sarg eines Familienmitglieds.

Völkermord von Srebrenica Niederlande entschuldigen sich erstmals

Stand: 11.07.2022 14:20 Uhr

Im Jahr 1995 ermordeten Serben mindestens 8000 Bosniaken in und um Srebrenica. Die niederländischen UN-Blauhelme widersetzten sich nicht. Bei der Gedenkfeier entschuldigten sich die Niederlande jetzt erstmals.

27 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica haben die Niederlande erstmals bei den Angehörigen der Opfer um Entschuldigung gebeten. "Die internationale Gemeinschaft hat beim Schutz der Menschen von Srebrenica versagt", sagte Verteidigungsministerin Kasja Ollongren bei der Gedenkfeier in Potocari in Bosnien-Herzegowina.

"Als Teil dieser Gemeinschaft trägt auch die niederländische Regierung einen Teil der politischen Verantwortung für die Situation, in der dieses Versagen geschehen konnte. Dafür entschuldigen wir uns zutiefst."

Blauhelme widersetzten sich nicht

Srebrenica war eine UN-Schutzzone im Balkan-Krieg. Die niederländische UN-Einheit Dutchbat sollte im Sommer 1995 Tausende bosnische Flüchtlinge in der Enklave schützen. Doch am 11. Juli überrannten serbische Einheiten unter Führung von General Ratko Mladic die Stadt. Die nur leicht bewaffneten Blauhelme widersetzten sich nicht.

Die Serben ermordeten in den letzten Tagen des Bosnien-Kriegs mindestens 8000 mit großer Mehrheit bosniakische Jungen und Männer.

Eine Luftaufnahme des Genozid-Gedenkzentrums von Srebrenica und der neu ausgehobenen Gräber in Potocari, Bosnien

Eine Luftaufnahme des Genozid-Gedenkzentrums von Srebrenica und der neu ausgehobenen Gräber in Potocari, Bosnien.

In Massengräbern verscharrt

Die Soldaten verscharrten die Opfer in Massengräbern. Später hoben sie diese mit Baggern teils wieder aus und verteilten sie auf andere Gräber, um die Beweise für das Kriegsverbrechen zu vertuschen. Dabei wurden die Überreste der getöteten Jungen und Männer teils auseinandergerissen, sodass in Massengräbern in und um Srebrenica noch immer vereinzelte Körperteile gefunden werden, die per DNA-Analyse zusammengesetzt und identifiziert werden.

Das Massaker von Srebrenica war der blutige Tiefpunkt des Bosnien-Krieges nach dem Zerfall Jugoslawiens. Es galt bisher als schlimmstes Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.

"Dieser Geschichte direkt stellen"

Die niederländische Regierung hatte zwar zuvor bereits eigene politische Fehler zugegeben, doch eine klare Entschuldigung stets abgelehnt. "Wir können das Leiden nicht von Ihnen nehmen", sagte die Verteidigungsministerin jetzt. "Aber was wir können ist, uns dieser Geschichte direkt zu stellen."

Ollongren betonte auch, dass die bosnisch-serbischen Anführer die Schuldigen für den Völkermord waren. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hatten den Serbenführer Radovan Karadzic und Mladic jeweils zu lebenslanger Haft verurteilt.

50 jüngst identifizierte Opfer bestattet

Am 27. Jahrestag des Massakers gedachten im Osten von Bosnien-Herzegowina Tausende der Opfer von damals. Sie wohnten zudem der Bestattung von 50 jüngst identifizierten Opfern des Massakers bei.

Neu identifizierte Opfer werden jährlich am Jahrestag des Beginns des Massenmordes auf dem Friedhof an der Gedenkstätte Potocari vor den Toren Srebrenicas bestattet. In Potocari liegen nun 6652 Opfer begraben, 237 wurden auf Wunsch der Familien anderswo beigesetzt, mehr als 1000 gelten als vermisst.

An der Gedenkfeier nahmen auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der Hohe Repräsentant Christian Schmidt und Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz teil.

Srdjan Govedarica, Srdjan Govedarica, ARD Wien, 11.07.2022 13:32 Uhr