Zerstörtes Gebäude in der Region Donezk | REUTERS

Krieg gegen die Ukraine Heftige Kämpfe im Donbass

Stand: 11.12.2022 08:38 Uhr

Die Donbass-Region in der Ostukraine ist einmal mehr Schauplatz schwerer Gefechte zwischen ukrainischen und russischen Truppen. Die Regierung in Moskau meldet Geländegewinne, die ukrainische Armee schlägt mit Angriffen auf Donezk und Melitopol zurück.

Die Ukraine und Russland melden heftige Gefechte aus der Donbass-Region im Osten des Landes. "Der Donbass ist die Hauptfront im Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine", sagte der Sprecher der Heeresgruppe Ost der ukrainischen Streitkräfte, Serhij Tscherewatyj. Russische Truppen stießen rund um die Städte Bachmut und Awdijiwka vor, während ukrainische Truppen eine Reihe von russisch besetzten Städten unter Artilleriebeschuss nahmen. Die russische Armee verlegt sich offenbar auf eine neue Taktik: Statt einer großangelegten Offensive stoße man nun mit kleineren Einheiten wie der Söldnertruppe "Wagner" vor. Moskau setze vor allem auf Rohr- und Raketenartillerie. Die ukrainischen Streitkräfte hätten Angriffe in den Regionen Donezk und Luhansk zurückgeschlagen.

Zuvor hatte Russland Geländegewinne im Donbass gemeldet: "Im Raum Donezk haben die russischen Einheiten ihre Angriffe fortgesetzt und den Gegner aus seinen befestigten Stellungen vertrieben", erklärte Armeesprecher Igor Konaschenkow. Auch im Norden zwischen den Kleinstädten Kreminna und Lyman habe man Stellungen erobert.

Moskau: Ukrainische Angriffe auf Donezk und Melitopol

Nach Angaben von russischen Behörden reagierten die ukrainischen Streitkräfte bei Donezk mit Raketenwerfern. Beim Beschuss der Stadt seien auch der Busbahnhof im Zentrum sowie eine Schule getroffen worden, berichtete die russische Staatsagentur Tass. Seit Wochen gibt es Berichte, wonach die ukrainische Armee im Gebiet Donezk in der Defensive ist und versucht, ihre Verteidigungslinien vor der Industriestadt und östlich des Ballungsgebiets zwischen Slowjansk und Kramatorsk zu halten.

Auch aus der weiter südlich gelegenen russisch-besetzten Stadt Melitopol wurden am Samstagabend Raketenangriffe gemeldet. Pro-russischen Angaben zufolge kamen dabei zwei Menschen ums Leben, zehn weitere wurden verletzt. Melitopols im Exil lebender Bürgermeister berichtete, eine ausgediente Kirche, die von den Russen als Versammlungsort genutzt würde, sei getroffen worden und sprach von zahlreichen Toten. Die ukrainische Armee äußerte sich nicht unmittelbar zu dem Vorfall. Das Zentralkommando der ukrainischen Streitkräfte hatte zuvor erklärt, es habe Angriffe auf Melitopol ausgeführt.

Zudem wurde auf der Krim laut Angaben aus Moskau die Luftverteidigung aktiv. Anwohner in den von russischen Truppen besetzten Gebieten berichteten in sozialen Medien von zahlreichen Detonationen am Himmel - unter anderem über Simferopol. Zur Art des möglichen Angriffs oder dessen Auswirkungen war zunächst nichts bekannt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Selenskyj: Bachmut komplett zerstört

Besonders massiv konzentrieren sich die russischen Angriffe offenbar auf die Stadt Bachmut im Oblast Donezk. Dort seien aktuell mehr als 20 Wohnsiedlungen unter Beschuss geraten, meldete die Ukraine. Die Invasionstruppen hätten Truppen und Kriegsgerät um Bachmut zusammengezogen und versuchen demnach, die Stadt einzukreisen. Sie wird seit einem halben Jahr mit Raketen beschossen.

Nach dem Rückzug russischer Truppen aus Cherson im Süden haben sich die Kämpfe um Bachmut verschärft, weil Russland nach den Niederlagen im Herbst wieder einen sichtbaren Erfolg sucht. Eine Einnahme von Bachmut würde ukrainische Nachschublinien unterbrechen und den Russen die Möglichkeit geben, auf Kramatorsk und Slowjansk vorzustoßen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beklagte in seiner allabendlichen Botschaft an seine Landsleute, Bachmut sei bei den jüngsten Kämpfen komplett zerstört worden: "Die Besatzer haben Bachmut tatsächlich zerstört, eine weitere Stadt im Donbass, die die russische Armee in verbrannte Ruinen verwandelt hat." "Bachmut, Soledar, Marjinka, Kremmina - für lange Zeit gibt es keinen Lebensraum mehr in diesen Gegenden."

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.  | ISW/9.12.2022

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete. Bild: ISW/9.12.2022

Neue russische Angriffe auf Energieinfrastruktur

Unterdessen setzte Russland auch seine Luftangriffe auf das ukrainische Energienetz fort: Besonders betroffen von Stromausfällen seien die Regionen Cherson, Donezk und Charkiw, hieß es. Auch aus der Region Odessa wurden in der Nacht von Freitag auf Samstag Angriffe auf die Infrastruktur gemeldet.

Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal erklärte, die Bürgerinnen und Bürger müssten den ganzen Winter über mit Stromabschaltungen rechnen. Zwar sei die Lage gegenwärtig unter Kontrolle, doch gebe es durch die Schäden weiter Mängel bei der Stromversorgung. "Alle Wärme- und Wasserkraftwerke des Landes wurden beschädigt." Dazu seien etwa 40 Prozent der Hochspannungsnetzanlagen unterschiedlich stark zerstört.

"Daher sind in den meisten Region die Einschränkungen in der Stromversorgung immer noch erheblich", bilanzierte er. "Seien wir ehrlich, dass wir diesen Winter ständig unter den Bedingungen eines begrenzten Stromverbrauchs leben werden", sagte er nach Angaben der Staatsagentur Unian.

Kritische Infrastruktur hat Priorität

Dabei müssten Prioritäten gesetzt werden, erklärt Schmyhal weiter. Vorrang habe die kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser sowie die Wasser- und Wärmeversorgung, gefolgt vom militärisch-industriellen Komplex. Erst an dritter Stelle stünden kritische Versorgungsobjekte wie Bäckereien oder Molkereien. Die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Strom stehe erst an vierter Stelle.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Dezember 2022 um 20:00 Uhr.