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Sicherheitsexperte Wiegold "Die Angelegenheit ist kompliziert"

Stand: 16.11.2022 06:57 Uhr

Die Hintergründe des Raketeneinschlages in Polen sind noch unklar. Verteidigungsexperte Wiegold äußerte sich bei tagesschau24 zu der komplexen Lage und möglichen Erklärungen.

In einem polnischen Dorf nahe der Grenze zur Ukraine ist nach Regierungsangaben aus Warschau eine Rakete russischer Bauart eingeschlagen. Dabei gab es zwei Tote. Noch sind Hintergründe und Ursache des Vorfalls völlig unklar. Auch wer die Rakete abgeschossen hat, ist noch nicht klar. Der Verteidigungsexperte Thomas Wiegold versuchte bei tagesschau24, die Geschehnisse einzuordnen.

Wiegold hält eine der möglichen Erklärungen, die Raketen seien fehlgeleitet gewesen, für eine durchaus plausible Vorstellung. "Wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, wie Russland viel seiner Präzisionsmunition verschossen hat und jetzt viele Raketen aus seinen Depots benutzt, die eben nicht so genau treffen und auch mal vom Kurs abkommen", sagte Wiegold.

"Was tatsächlich passiert ist, wissen wir eben nicht", Journalist Thomas Wiegold, zu den Berichten über Raketeneinschläge in polnischem Grenzgebiet zur Ukraine

tagesschau24 21:30 Uhr

Auch die Ukraine setzt das System S300 ein

Ebenso könnte es sich aber um einen Abschuss der Ukraine handeln, wovon laut Medienberichten die USA ausgehen. "Es kursieren inzwischen Hinweise darauf, dass die Ukraine russische Raketen oder Lenkflugkörper abgeschossen hat und die Trümmer eben in Polen eingeschlagen sind."

Das Problem sei, dass die Ukraine das sowjetische Luftverteidigungssystem S300 benutzt. Sollte man aber S300-Trümmer finden, hieße das nichts, da Russland S300-Systeme selber einsetzt, um Ziele am Boden anzugreifen, erklärte der Verteidigungsexperte. "Das zeigt, wie kompliziert die Angelegenheit ist."

Wiegold: Gefahr zeichnete sich ab

Wiegold nimmt an, dass die Untersuchungen längst laufen. "Man wird gucken, was an Trümmern an der Einschlagsstelle gesichert werden kann." Er sieht nun forensische Experten am Zug, die klären müssen, ob die Trümmerteile einer Waffe zugeordnet werden können und woher diese stammen könnten.

Er erinnerte daran, dass es bereits im März einen Vorfall gab, der für die NATO-Allianz ähnlich brisant war. Damals bombardierte Russland ein Ausbildungszentrum in der westukrainischen Staat Lwiw. Im Zuge des Angriffs gingen 20 Kilometer vor der Grenze zu Polen Geschosse nieder. "Die Gefahr hat sich über die vergangenen Monate abgezeichnet", bewertet Wiegold den Vorfall.

Dass Russland umgehend nach den ersten Berichten über die Einschläge jedwede Verwicklung abstritt, überrascht Wiegold nicht. Sofort sei in Moskau die Rede von einer vorgetäuschten Operation gewesen, die die NATO selber inszeniert habe. "Das bewegt sich in der Rhetorik, die Russland immer wieder selbst angebracht hat."