Gendarmen bewachen den Sondergerichtssaal des Prozesses um die Anschläge von Nizza (Archivbild). | dpa

Frankreich Urteile im Terrorprozess von Nizza erwartet

Stand: 13.12.2022 04:01 Uhr

Im Prozess nach dem Terroranschlag in Nizza werden heute die Urteile erwartet. Angeklagt sind acht mutmaßliche Unterstützer des Attentäters. Dieser tötete 2016 mit einem Lkw auf der Flaniermeile in Nizza 86 Menschen.

Von Sabine Wachs, ARD-Studio Paris

Neun Jahre alt war Myrtille an dem Abend, der ihr Leben auf einen Schlag brutal veränderte. Zusammen mit ihrer Familie war sie am 14 Juli 2016 auf der Promenade des Anglais in Nizza. Dort wollte sie sich das Feuerwerk zum französischen Nationalfeiertag anschauen.

Sabine Wachs ARD-Studio Paris

Dann raste ein 19 Tonnen schwerer Lkw in die Menschenmenge, 86 Menschen starben. Myrthille hatte Glück. Das erzählt die junge Frau im französischen Fernsehen.

Der Lkw ist auf uns zugefahren. Mein Vater hat mich an sich gezogen und wir sind auf die Straße gestürzt und der Lkw hat uns nicht erfasst.

Opfer bis heute schwer traumatisiert

Gemeinsam mit ihren Eltern verfolgt Myrthille Teile des Prozesses in Paris. Verhandelt wird nicht in Nizza, dorthin wird der Prozess nur per Video übertragen. In Frankreich sitzt die Staatsanwaltschaft, die für Terrorismus zuständig ist, in Paris. Terrorprozesse finden deshalb in der Hauptstadt statt.

Trotz des weiten Weges aus dem Süden sind viele Überlebende und Hinterbliebene ins Gerichtsgebäude auf der Ile de la Cité gekommen. Mehr als 80 von 865 Nebenklägern haben ausgesagt, auch Myrthille. Bis heute ist sie stark traumatisiert.

Den Lkw, der auf mich zurast und dazu diese Hilflosigkeit, ausgeliefert zu sein, du kannst nichts machen. Ich spüre das noch heute. Dann die Bilder von Menschen auf dem Boden. Es ist alles da. Immer. Es reicht, dass ein Auto zu schnell an mir vorbeifährt, und alles kommt wieder hoch.

Opfer bekamen nicht die erhofften Antworten

Der Mensch, der für diese Flashbacks verantwortlich ist, ist tot. Die Polizei erschoss den Attentäter von Nizza noch am Abend des Anschlags. Angeklagt im Terrorprozess sind acht mutmaßliche Mitwisser und Helfer. Nur drei von ihnen sollen den Täter, einen 31-Jährigen Tunesier, persönlich gekannt haben. Die anderen fünf sind unter anderem wegen illegalen Waffenhandels angeklagt. Für viele Hinterbliebene und Überlebende ist das wenig befriedigend.

"Wir wollten Antworten haben in diesem Prozess. Warum dieses Attentat, und wie ist es geplant worden? Die haben wir nicht bekommen", sagt Jean-Claud Hurler, Vorsitzender der Opfervereinigung Live for Nice. Trotzdem sei der Prozess wichtig. Denn am Ende stünden Urteile - gegen diejenigen, die mutmaßlich zur Tat beigetragen haben.

Es sollen diejenigen verurteilt werden, die dem Täter geholfen haben. Die den Lkw gemietet haben, ihm die Waffe gegeben haben, mit der er auf die Polizisten schoss. Die, die mit ihm die Todesstrecke abgefahren sind. Sie haben dem Terroristen geholfen.

Haftstrafen von bis zu 15 Jahren gefordert

Zwei von den acht Angeklagten wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Auch wenn eine direkte Verbindung zur Terrormiliz Islamischer Staat weder ihnen noch dem Täter nachgewiesen werden konnte - dass alle Angeklagten in irgendeiner Art und Weise dazu beigetragen hätten, dass der Anschlag stattfinden konnte, daran ließ die Staatsanwaltschaft keine Zweifel.

Allerdings stellte sie auch klar, keiner der acht Beschuldigten könne verurteilt werden, als sei er selbst der Täter. Die Strafmaßforderungen bleiben auch deshalb unterhalb der möglichen Höchststrafen. 15 statt 20 Jahre Haft für die drei Hauptangeklagten, zwischen zwei und zehn Jahren Gefängnis für die übrigen Beschuldigten.

Über dieses Thema berichtete BR24 am 13. Dezember 2022 um 07:09 Uhr.