Emmanuel Macron im Garten des Élysée-Palast bei der Einführung ins Präsidentenamt.

Putsch in Niger Für Frankreich steht viel auf dem Spiel

Stand: 29.07.2023 04:57 Uhr

Der Putsch in Niger hat auch für die Regierung in Paris weitreichende Folgen. Der Sahelstaat ist zentral für Frankreichs Anti-Terror-Strategie. Außerdem bezieht das Land Uran aus Niger, das es für seine 56 Kernreaktoren braucht.

Für Frankreich könnte mit dem Putsch in Niger eine Ära zu Ende gehen. Die Ära der France Afrique - einer von Frankreichs Interessen dominierten und diktierten Zusammenarbeit zwischen den ehemaligen französischen Kolonialstaaten im Sahel und Paris.

Zwar verurteilte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Putsch aufs Schärfste: Der Staatsstreich sei absolut illegitim und sehr gefährlich für die Nigrer, für den Niger und die Region. Doch Frankreichs Handlungsspielraum ist begrenzt.

Militärpräsenz infrage gestellt

Das lassen die Worte Macrons ebenfalls erkennen. Nigers demokratisch gewählter Präsident Mohamed Bazoum müsse freigelassen werden, forderte er. Frankreich unterstütze die "regionalen Organisationen bei den Entscheidungen, die sie zu fällen haben." Sei es, dass sie auf Vermittlung oder sei es, dass sie auf Sanktion setzen.  

"Wir sind an der Seite der regionalen Führer, um die Demokratie, die freie Meinungsäußerung zu verteidigen und gegen jede Manipulation zu kämpfen", erklärte Macron. Der Putsch in Niger ist nach Mali und Burkina Faso der dritte in der Region seit 2020. Er stellt ganz grundsätzlich die Militärpräsenz Frankreichs im Sahel in Frage.  

Neue Regierung in Niamey droht

Zwar gibt es in Niger nicht das gleiche antifranzösische Ressentiment wie zuletzt in Mali. Doch haben die nigrischen Putschisten die französische Regierung unmissverständlich wissen lassen, dass sie keinerlei Einmischung in innere Angelegenheiten dulden.

Am Donnerstagnachmittag schickten sie eine Warnung per Videobotschaft an Paris, nachdem früh morgens eine französische Militärmaschine in der Hauptstadt Niamey gelandet war: Dieser Akt verletze die Anordnungen des neuen Nationalrates, der die Schließung der Grenzen beschlossen habe, hieß es darin. Man rufe den französischen Partner dazu auf, die Maßnahmen der neuen Chefs in der Hauptstadt Niamey strikt zu befolgen.  

Noch ist keine Entscheidung gefallen

In Niger sind zwischen 1.500 und 2.000 französische Soldaten stationiert. 5.000 Container mit Militärmaterial sollen in Niamey lagern. Für Frankreich und den Westen steht nun viel auf dem Spiel, erklärt Afrikaexperte und Journalist Antoine Glaser im Fernsehsender TV5 Monde. Niamey sei nach dem Putsch in Mali die geostrategische Bastion des Westens geworden.

Nicht mehr in Niger stationiert sein zu können, wäre ein enormer Verlust. Noch sei keine Entscheidung gefallen, aber: "Es ist schwer vorstellbar, dass Frankreich - ein Land, dass Putschversuche stets verurteilt - die eigenen Truppen in einem Land belassen wird, wo es einen Staatsstreich gegeben hat."

Erst im Mai neue Uran-Verträge unterzeichnet

Sollte die militärische Kooperation zwischen Frankreich und Niger dauerhaft unmöglich werden, ist aber nicht nur Frankreichs Anti-Terror-Mission bedroht. Auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern könnte dann schwieriger werden. Frankreich bezieht den für den Betrieb der Atomreaktoren zentralen Rohstoff Uran aus Niger.

20 Prozent der französischen Uran-Importe kommen aus dem Sahelstaat. Erst im Mai dieses Jahres hat der französische Atomkonzern Orano neue Verträge mit der nigrischen Regierung unterzeichnet. Bis 2040 soll der französische Uran-Abbau in Niger verlängert werden, erklärte der für das Minengeschäft zuständige Orano Chef, Nicolas Maes, bei der Vertragsunterzeichnung: "Wir engagieren uns gemeinsam, damit diese Mine so lang wie möglich betrieben werden kann."

Uran-Verträge als Rückversicherung?

In einer Zeit, da man den Uran-Bezug aus dem Einflussbereich Russlands minimieren will, sind die Minen in Niger ein zentraler Baustein von Frankreichs Diversifizierungsstrategie. Sollten die Uran-Verträge mit dem Niger wegen des Putsches gefährdet sein, hätte Frankreichs Energiewirtschaft ein Problem. Vielleicht aber ist auch gerade die für Niamey lukrative wirtschaftliche Kooperation mit Frankreich die einzige Rückversicherung für Paris, nicht ganz den Einfluss in Niger zu verlieren.  

Julia Borutta, ARD Paris, tagesschau, 28.07.2023 21:46 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 29. Juli 2023 um 06:17 Uhr.