
Johnson auf US-Besuch Ein U-Boot-Deal zur rechten Zeit
Weg von Europa, hin zu "Global Britain": Großbritanniens Premier Johnson hofft auf mehr weltpolitisches Gewicht - durch den Beitritt zum Verteidigungspakt mit den USA und Australien. Doch zu welchem Preis?
Boris Johnson klingt euphorisch, wenn er sich in diesen Tagen von der britischen Presse in New York interviewen lässt. Die Beziehung zu US-Präsident Joe Biden sei absolut fantastisch, sagt er da, und man habe sogar ein gemeinsames Hobby entdeckt: "Wir sind beide große Eisenbahnfans", erklärte er der mitgereisten BBC. Nun weiß man auch im Weißen Haus, dass der britische Premier zu Übertreibungen neigt und das britisch-US-amerikanische Verhältnis noch vor wenigen Wochen hauptsächlich von atmosphärischen Störungen geprägt war.
In Washington war nämlich durchaus registriert worden, wie London den US-Abzug aus Afghanistan aufgenommen hatte. Schwer getroffen darüber, nicht vorher mit einbezogen worden zu sein, sollen britische Minister Biden als "gaga" und als "Loser" bezeichnet haben, berichtete die Londoner Presse. Und das seien noch die harmloseren Bezeichnungen gewesen. Der US-Präsident werde das nicht vergessen, zitierte die "Times" daraufhin einen Mitarbeiter des Biden-Stabs - aber der entschied sich offenbar für den Moment doch für ein kurzes Gedächtnis und lud Boris Johnson nach Washington ein - gewissermaßen als Dankeschön für den Einstieg der Briten in den trilateralen Verteidigungspakt AUKUS, in dessen Zentrum ein neuer U-Boot-Deal steht, an dem vor allem die USA verdienen.
Für London hat AUKUS einige Haken
Washington wird demnächst U-Boote mit Nuklearantrieb an Australien liefern, um so auch vom Pazifik aus stärker gegen China auftreten zu können, das dort immer stärker seine Machtansprüche geltend macht. Ausgebootet wurden dabei die Franzosen, die seit Jahren über einen ganz ähnlichen Deal mit Australien verhandelt hatten. Dieser australisch-britisch-amerikanische Sicherheitspakt, dem Johnson nun so bereitwillig beitrat, hat aber einige Haken, gerade für die Briten selbst.
Als Juniorpartner könnte das Königreich auf diese Weise in eine militärische Auseinandersetzung mit China hineingezogen werden, merkte Johnsons Vorgängerin Theresa May umgehend an. Und, akuter noch: Die bis dato seit dem Brexit schon stark unterkühlten Beziehungen zu Frankreich sind jetzt auf dem Weg in eine neue Eiszeit. Denn die Franzosen, deren eigener U-Boot-Deal mit AUKUS kalt und ohne jede Vorwarnung gecancelt wurde, schäumen - und mit ihnen die Europäische Union, die von ihren NATO-Partnern ignoriert und nach dem Abzug aus Afghanistan einmal mehr zum Zaungast degradiert worden sind.
Nicht mehr als eine Schlagzeile
Johnson aber war es das offenbar wert, glaubt er doch, so endlich sein zentrales Brexit-Mantra mit Inhalt füllen zu können: Weg von Europa, hin zu "Global Britain". Diese Schlagzeile, die seit einigen Jahren in so gut wie jeder größeren Rede Johnsons auftaucht, brauchte dringend Substanz, und so kam dem britischen Premier AUKUS gerade recht. An der Seite der US in den Pazifik zu ziehen, das klingt nach alter imperialer Größe, und so feierte die torynahe britische Presse den Pakt als neuen Anlauf, an der Seite Amerikas die Welt zu retten.
Parallel dazu betonte die neue britische Außenministerin Liz Truss die strategische Rolle Asiens als Handelspartner für "Global Britain". Im Jahr 2030 werden in dieser Region Zwei Drittel der globalen Mittelschicht beheimatet sein, erklärte sie erst kürzlich in einer Rede.
Doch bislang ist auch AUKUS für die Briten nicht viel mehr als eine weitere Schlagzeile; die britische Rolle in diesem Dreierpakt ist in der Realität eher unbedeutend. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte gar, London sei hier das "opportunistische fünfte Rad am Wagen", deshalb habe man sich auch nicht einmal die Mühe gemacht, den französischen Botschafter in London zurückzurufen, so wie es in Washington und Canberra geschehen war.
War der Deal die Folgen wert?
So mehren sich auch in London nun die Stimmen, die sich fragen, ob der Beitritt zu AUKUS es wert war, die europäischen Partner so vor den Kopf zu stoßen. Der ehemalige NATO- und Frankreich-Botschafter Lord Peter Ricketts wies auf die schweren Schäden hin, die ein tiefgreifendes Zerwürfnis mit Frankreich für die NATO bedeuten werde, und stellte die naheliegende Frage, ob man Frankreich nicht besser früher in irgendeiner Form in die Entscheidung für AUKUS hätte einbeziehen sollen.
Eine Idee, die Johnson gestern in New York bereitwillig aufgriff: Das Verhältnis zwischen Großbritannien und Frankreich sei unzerstörbar, erklärte er. Außerdem sei der AUKUS-Pakt ja offen für weitere Partner. Ob diese späte Einsicht den entstandenen Schaden noch reparieren kann, ist höchst fraglich. Frankreich hat ein geplantes bilaterales Verteidigungstreffen mit den Briten bis auf weiteres abgesagt.
Und so bleibt die Frage weiter offen, wie Johnson sein außenpolitisches Sendungsbewusstsein jenseits gut klingender Parolen mit Inhalt füllen will. Auf Dauer wird sein "Global Britain" sich daran erinnern müssen, dass zur Welt auch die europäischen Nachbarn direkt vor der Haustür gehören.