Macron besucht eine offshore Windkraft Anlage

Frankreich Hektik am Horizont

Stand: 27.09.2022 16:21 Uhr

Frankreich hat bei der Windenergie im Vergleich zu Deutschland erheblichen Nachholbedarf. Präsident Macron will den nun wettmachen und mehr Offshore-Windparks bauen lassen. Davon wollen auch Produzenten von grünem Wasserstoff profitieren.

Es ist eine sehr, sehr große Champagner-Flasche, die an diesem sonnigen Tag auf dem haushohen, leuchtend gelben Elektrolyse-Container zerspringt. Matthieu Guesné hat sie sichtbar stolz über das Wasser im Hafenbecken von Saint Nazaire schwingen lassen. Denn auf diesen Moment hat der Gründer des Wasserstoff-Startups LHYFE fünf Jahre lang hingearbeitet.

Sein Unternehmen will einen Elektrolyseur aufs Meer hinaus bringen und dort mit den Windkraftanlagen verbinden, um dann später im industriellen Maßstab grünen Wasserstoff erzeugen. "Wir nutzen für die Elektrolyse das Meerwasser, machen daraus Wasserstoff und bringen ihn durch eine Pipeline an Land. Weltweit hat noch nie jemand einen Elektrolyseur zum Schwimmen gebracht", freut sich Guesné.

Das Meer als Chance und Herausforderung

Bis zur industriellen Nutzung wird es allerdings noch einige Jahre dauern. Erst einmal stehen Tests an: Etwa um zu klären, wie man den Elektrolyse-Container für die raue Witterung mit bis zu 15 Meter hohen Wellen rüsten kann. Zukunftsmusik also, aber eine, die der französische Präsident Emmanuel Macron gerne hört. 

Er war an diesem Tag selbst in die Bucht von Saint-Nazaire gekommen und aufs Meer hinausgefahren. Die Mission: den ersten Offshore Windpark des Landes einweihen. Ein bildstarker Rahmen für seine Ankündigung, das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien verdoppeln zu wollen. 2050, so Macron, "möchten wir 40 Gigawatt Strom aus offshore Windkraft gewinnen. Dazu brauchen wir 50 Windparks auf dem Meer."

Lange Prozesse

Man könnte auch sagen: In Frankreich bricht gerade Hektik aus am Horizont. Denn im europäischen Vergleich hinkt das Land hinterher: Vor Saint-Nazaire drehen sich jetzt die ersten 81 Offshore-Windkraftanlagen Frankreichs - in Deutschland sind es bereits 1500. Während in der Bundesrepublik vom Beschluss bis zur Inbetriebnahme sechs Jahre vergehen, hat es in Saint-Nazaire fast elf Jahre gedauert.

Mitten unter den Windparkmissionaren, die sich an diesem Tag feiern, erklärt Macron wie er den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen will: Ein neues Gesetz ziele auf drei Dinge ab - "die Verfahren vereinfachen, geeignete Standorte ausweisen, den Mehrwert teilen".

So wird Anwohnern von Windkraft- oder Solaranlagen einen geringerer Strompreis in Aussicht gestellt. Außerdem, kündigte Macron an, werde die Regierung die Vorschriften für Gerichtsverfahren ändern. Im Falle eines Rechtsstreits müssten die jeweiligen Instanzen binnen zehn Monaten angerufen werden: "So verringern wir die Gesamtdauer der Verfahren auf zweieinhalb Jahre Maximum. "

Warten auf die Taten

Die Wasserstoff-Visionäre von LHYFE begrüßen die neue Strategie des Präsidenten und hoffen auf reichlich Fördermittel für die Projekte, die das Unternehmen europaweit betreibt: "Stellen Sie sich vor, dass man mit vier Prozent der europäischen Meeresfläche so viel Wasserstoff produzieren kann wie man braucht, um russisches Gas komplett zu ersetzen."

Ob diese Rechnung aufgeht, hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem davon, ob die Erneuerbaren Energien in Frankreich nun wirklich den Aufwind bekommen, den Macron verspricht.

 

Julia Borutta, Julia Borutta, ARD Paris, 25.09.2022 16:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. September 2022 um 16:00 Uhr.