Emmanuel Macron und Olaf Scholz

60 Jahre Elysée-Vertrag Wenig Einklang in der Verteidigungspolitik

Stand: 21.01.2023 03:47 Uhr

Vor 60 Jahren machte der Elysée-Vertrag Frankreich und Deutschland von ehemaligen Feinden zu Freunden. Doch seit einiger Zeit bröckelt diese Freundschaft: Vor allem in der Verteidigungspolitik gehen die Partner vermehrt Alleingänge.

Von Uli Hauck, ARD Berlin

Wer nach Differenzen in der deutsch-französischen Verteidigungspolitik sucht, wird schnell fündig. Erst Anfang Januar hat der französische Präsident Emmanuel Macron im Alleingang die Lieferung von leichten Kampfpanzern an die Ukraine angekündigt. Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden standen dann als Getriebene da - abgestimmtes Handeln sieht anders aus.

Für die Verteidigungsexpertin der Grünen, Sara Nanni, ist das keine Überraschung. Macron und Scholz seien dafür bekannt, solche Ankündigungen selbst machen zu wollen. Man habe dann als Bundesrepublik mit den "Marder"-Schützenpanzern "direkt nachgezogen", sagt sie. Das habe gezeigt, "dass man da in der Sache auch schon beieinander war."

Scholz' Alleingang bei Flugabwehr

Auch mit Blick auf Olaf Scholz lässt sich unabgestimmtes Handeln - ohne den engsten Partner Frankreich - schnell und problemlos finden. Ein sicherheitspolitisches Lieblingsprojekt von Scholz, die "European Sky Shield Initiative", hat er ohne Absprache mit Frankreich angekündigt. 15 Nationen wollen sich an der gemeinsamen Flugabwehr beteiligen, Frankreich bleibt außen vor. In Paris wiederum ist man sauer, weil Deutschland das amerikanisch-israelische Flugabwehrsystem "Arrow 3" einkaufen will und nicht auf eine europäische Lösung setzt. 

Dass deutsch-französische Verhältnis sei so schlecht wie seit Jahren nicht mehr, sagt der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn. "Das liegt tatsächlich an zu wenig Engagement der deutschen Bundesregierung für das deutsch-französische Verhältnis und für die einzelnen Projekte, die wir miteinander voranbringen wollen", meint er.

Schwierige Jahre könnten bevorstehen

Die Tagespolitik - der Ukraine-Krieg, die Waffenlieferungen, das Krisenmanagement - übertüncht das schwierige Verhältnis, sagt Barbara Kunz, die sich mit deutsch-französischer Sicherheitspolitik beschäftigt. Doch bei der grundlegenden strategischen Ausrichtung liegen beide Länder schon sehr lange weit auseinander.

Während Frankreich einen strategischen Plan habe, wisse Deutschland nicht, was es will. "Ich glaube, das wird die nächsten Jahre sehr, sehr schwierig werden zwischen Paris und Berlin. Was vielleicht vielen noch nicht bewusst ist, weil es erstmal in Ukraine-Themen relativ in die gleiche Richtung geht", sagt Kunz vom Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Hamburg. Aber die unterschiedlichen Visionen und Prioritäten werden ihrer Ansicht nach die Debatte in den nächsten zehn bis 20 Jahren prägen.

Frankreich blickt über NATO hinaus

Während die Bundesregierung beispielsweise recht vage von einer "wertebasierten Außenpolitik" spricht, denkt Frankreich seit Jahren ganz strategisch und konkret über nationale und europäische Autonomie nach. Deutschland setzt dagegen weiterhin auf die NATO und vor allem auf die traditionellen amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa. Hier denkt die Atommacht Frankreich längst viel weiter, sagt Kunz. Die politische Situation in den USA werde dort ganz anders bewertet, innenpolitisch und mit Blick auf das Verhältnis USA-China.

Deswegen müsse Europa schauen, diese Lücke zu füllen, die dadurch entsteht. "Und Deutschland ist an diesem Punkt nicht - vielleicht kann man sagen: noch nicht", sagt sicherheitspolitische Expertin Kunz weiter. "Aber daraus leiten sich die großen Dissonanzen zwischen Berlin und Paris ab."

Unter Olaf Scholz aber auch schon unter Angela Merkel hat die regelmäßige und enge Abstimmung mit Frankreich nachgelassen. Vom französischen Präsidenten angestoßene Debatten zu einer gemeinsamen Sicherheitsstrategie wurden nicht weitergeführt. Ein Versäumnis, das sich gerade in Krisensituationen rächen könnte.

Uli Hauck, Uli Hauck, ARD Berlin, 21.01.2023 03:47 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 20. Januar 2023 um 16:40 Uhr.