Ein Mann geht über eine Brücke, die Rohrleitungen der russischen Ölförderanlage Yuganskneftegaz kreuzt.

60 US-Dollar pro Barrel EU beschließt Preisdeckel für russisches Öl

Stand: 02.12.2022 20:25 Uhr

60 US-Dollar pro Barrel: Die EU-Staaten haben sich auf einen Preisdeckel für russisches Öl geeinigt. Damit soll verhindert werden, dass Russland mit Ölexporten Milliarden-Gewinne macht. Die Kritik aus Moskau kam umgehend.

Die EU will Russland gemeinsam mit internationalen Partnern dazu zwingen, Erdöl künftig unter Marktpreis an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Eine von Regierungsvertretern erzielte Absprache sieht vor, zunächst eine Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel festzulegen, wie unter anderem Estlands Regierungschefin Kaja Kallas bestätigte. Der Preis von umgerechnet etwa 57 Euro pro 159 Liter würde dann um bis zu neun Euro unter dem jüngsten Marktpreis für russisches Rohöl der Sorte Urals liegen. Er wird den Plänen zufolge von Montag an gelten.

Um die Preisobergrenze durchzusetzen, soll geregelt werden, dass für russische Ölexporte wichtige Dienstleistungen künftig nur noch dann ungestraft geleistet werden dürfen, wenn der Preis des exportierten Öls die Preisobergrenze nicht überschreitet. Westliche Reedereien könnten mit ihren Schiffen damit weiterhin russisches Öl in Drittstaaten wie Indien transportieren. Auch soll die Regelung für andere wichtige Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste gelten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die Preisobergrenze werde Russlands Einnahmen "signifikant reduzieren". Zudem werde sie helfen, die globalen Energiepreise zu stabilisieren, was den Schwellenländern weltweit zugutekommen werde.

Preisdeckel soll Öl-Embargo ergänzen

Um auf Marktentwicklungen reagieren zu können, sehen die Pläne vor, die Preisobergrenze etwa alle zwei Monate zu überprüfen. Sie soll immer um mindestens fünf Prozent unter einem von der Internationalen Energieagentur (IEA) ermittelten Durchschnittspreis liegen. Neben der EU sind Länder wie die USA, Großbritannien, Kanada, Japan und Australien bei dem Projekt dabei. Die Preisobergrenze soll das bereits im Juni von der EU beschlossene Öl-Embargo gegen Russland ergänzen. Dieses sieht unter anderem vor, den Erwerb, die Einfuhr oder die Weiterleitung von Rohöl und bestimmten Erdölerzeugnissen aus Russland in die EU zu verbieten. Die Beschränkungen gelten ab dem 5. Dezember für Rohöl und ab dem 5. Februar 2023 für andere Erdölerzeugnisse. Es gibt allerdings einige Ausnahmeregelungen zum Beispiel für Ungarn.

Den Grundsatzbeschluss zur Einführung der Preisobergrenze für russisches Öl hatten die Mitgliedstaaten im Oktober getroffen - nachdem zuvor die Gruppe der führenden westlichen Industrienationen (G7) eine entsprechende Initiative gestartet hatte.

Schwierige Verhandlungen

Schwieriger als erwartet gestalteten sich zuletzt allerdings die Verhandlungen über die konkrete Preisobergrenze. Polen forderte bei den Gesprächen zunächst mit Unterstützung baltischer Staaten, eine Preisobergrenze von unter 30 Dollar pro Barrel festzusetzen und so an den geschätzten Produktionskosten von 20 bis 40 Dollar pro Barrel zu bleiben.

Unterstützt wurde die Regierung in Warschau dabei von der Ukraine. So sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in der vergangenen Woche, ein Preis von bis zu 30 Dollar wäre möglich. Gegen eine so niedrige Preisgrenze waren allerdings insbesondere Staaten wie Griechenland und Malta. Sie befürchten, dass eine zu niedrige Preisgrenze dazu führen könnte, dass in ihren Ländern angesiedelte Reedereien Pleite gehen, weil Russland sich weigern könnte, sein Rohöl zu einem sehr niedrigen Preis zu verkaufen.

Estlands Regierungschefin Kallas teilte nach der Einigung in Brüssel mit, Teil des Deals sei auch die schnelle Verabschiedung eines neunten Pakets mit anderen Sanktionen gegen Russland. Dazu soll es nach Angaben von EU-Beamten bereits am Wochenende neue Koordinierungsgespräche geben.

USA begrüßen EU-Einigung

Die US-Regierung begrüßte die Einigung der EU auf den Preisdeckel. "Das ist eine gute Nachricht", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. US-Präsident Joe Biden habe sich beim G7-Gipfel im Sommer sehr nachdrücklich dafür eingesetzt. "Wir glauben, dass die Preisobergrenze die gewünschte Wirkung haben wird, indem sie die Möglichkeiten von Herrn Putin einschränkt, aus den Ölverkäufen Profit zu schlagen und seine Fähigkeit einschränkt, dieses Geld weiterhin zur Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie zu verwenden", sagte Kirby mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Krieg gegen die Ukraine.

Moskau: EU gefährdet Energiesicherheit

Aus Moskau kam Kritik: Nach Meinung des prominenten russischen Außenpolitikers und Duma-Abgeordneten Leonid Sluzki gefährdet die EU mit dem Preisdeckel ihre Energiesicherheit. Daneben verstoße die EU auch gegen die Marktgesetze, wie die Staatsagentur Tass über die Reaktion Sluzkis berichtete. "Sie haben keinen Deckel eingeführt, sondern wieder den Boden durchbrochen." Und dies alles, um "die Ambitionen von Übersee-Partnern zu befriedigen", sagte Sluzki mit Blick auf die USA. "Doch von dort können die Europäer keine Hilfe erwarten." Sluzki leitet in der Staatsduma den Auswärtigen Ausschuss.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Dezember 2022 um 19:00 Uhr.