Mateusz Morawiecki

Geplante Streichung von EU-Geldern Polen springt Ungarn bei

Stand: 19.09.2022 11:52 Uhr

Korruption und Vetternwirtschaft: Die Vorwürfe der EU gegen Ungarn wiegen schwer. Deswegen sollen dem Land jetzt Gelder aus Brüssel gestrichen werden - so der Plan. Doch Polens Regierungschef Morawiecki will da nicht mitmachen.

Von Mit Informationen von Helga Schmidt, ARD-Studio Brüssel

Korruption und Vetternwirtschaft: Die Vorwürfe der EU gegen Ungarn wiegen schwer. Deswegen sollen dem Land jetzt Gelder aus Brüssel gestrichen werden - so der Plan. Doch Polens Regierungschef Morawiecki gibt Ungarn Rückendeckung.

Polen hat sich im Streit um die Streichung von EU-Geldern an die Seite von Ungarn gestellt. Die Regierung in Warschau kündigte an, gegen die von der EU-Kommission geplante Kürzung von Mitteln Widerstand zu leisten. "Polen wird sich mit voller Kraft jeder Maßnahme der europäischen Institutionen widersetzen, die darauf abzielt, einem Mitgliedsstaat unrechtmäßig Mittel zu entziehen - in diesem Fall insbesondere Ungarn", sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki. Allerdings gebe es Signale aus Budapest und Brüssel, dass an einer Lösung in dem Streit gearbeitet werde.

Wegen Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat in Ungarn hatte die EU-Kommission am Sonntag vorgeschlagen, dem Land Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem Brüsseler Haushalt zu kürzen. Es ist das erste Mal, dass die Kommission diesen Schritt aufgrund von Mängeln im Rechtsstaat eines EU-Landes vorschlägt.

"Korruption ist das große Oberthema", Tobias Reckmann, ARD Brüssel, zu den Kürzungen von Zahlungen der EU an Ungarn

tagesschau24 14:00 Uhr

Korruption und Vetternwirtschaft

Der Beschluss erfolgte einstimmig: Alle 26 Kommissare plus Präsidentin Ursula von der Leyen waren sich nach Angaben von Haushaltskommissar Johannes Hahn einig. "Wir müssen davon ausgehen, dass EU-Gelder in Ungarn nicht ausreichend geschützt sind", so Hahn weiter. Es gehe um die Gelder von Europas Steuerzahlern. Die Fakten über Korruption und Vetternwirtschaft in Ungarn sind in Brüssel bekannt. Die EU-eigene Antikorruptionsbehörde OLAF hat sie akribisch ermittelt, über Jahre. Überweisungen aus dem Brüsseler Gemeinschaftshaushalt versickern in dunklen Kanälen, oft landen sie auch ganz offiziell bei Freunden und Familienangehörigen von Ministerpräsident Victor Orbán.

Ausschreibungen für die lukrativen, von der EU bezahlten Millionenprojekte sind oft gezielt auf einen bestimmten Bewerber zugeschnitten. Im Fall der landesweiten Ausstattung mit neuen Straßenlaternen war es zum Beispiel eine Firma, in der Orbáns Schwiegersohn eine entscheidende Rolle spielt. Wer nicht mindestens der Regierungspartei Fidesz nahesteht, hat als Unternehmer wenig Chancen, den Zuschlag für einen der gewinnversprechenden Aufträge zu bekommen.

EU-Kommission sieht Reformbereitschaft

Einfrieren will die Kommission ein Drittel der für Ungarn vorgesehenen Mittel aus dem Kohäsionsfonds. Mit Fördermitteln zum Beispiel für den Ausbau der Verkehrssysteme und der Energienetze sollen in Europa wirtschaftlich schwache Regionen unterstützt werden. Da ist der Bedarf in Ungarn groß.

In der Kommission gibt man sich nun optimistisch, dass schon die Androhung von finanziellen Daumenschrauben bei Ungarns Regierungschef Orbán Wirkung zeigt. Die Staatskassen seien leer, heißt es in Brüssel, Teile der erwarteten Fördergelder seien schon fest verplant. Außerdem sieht die Kommission durchaus Reformbereitschaft bei dem ungarischen Premier.

Denn seit der Ankündigung von Mittelkürzungen vor einigen Wochen hat man in Brüssel laut Hahn den Eindruck: "Ungarn hat sich tatsächlich bewegt." Der Optimismus des Kommissars gründet sich auf Orbáns Ankündigung, auf die Kritik aus Brüssel einzugehen und eine Anti-Korruptions-Behörde zu gründen.

Ungarn kann bis November nachbessern

Der eingeleitete Rechtsstaatsmechanismus sieht nun vor, dass die ungarische Regierung bis November Zeit hat, die Umsetzung der Reformmaßnahmen zu konkretisieren. Die Drohung der Kommission, 7,5 Milliarden Euro einzufrieren, ist derzeit nur ein Vorschlag der Kommission. Um dem Land tatsächlich Geld aus dem Haushalt zu kürzen, müssten dem Vorschlag nun mindestens 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 18. September 2022 um 22:45 Uhr.