Gesamtansicht des Runden Tisches auf dem EU-Gipfel

Treffen in Brüssel Über diese Themen streitet der EU-Gipfel

Stand: 23.03.2023 05:03 Uhr

Strommarktreform, Atomenergie, Munition für die Ukraine: Beim EU-Gipfel stehen zahlreiche Themen an. Auch die deutsche Blockade beim Verbrenner-Aus dürfte diskutiert werden. Ein Überblick.

In Brüssel treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zum Frühjahrsgipfel. Zu Beginn soll es einen Austausch mit UN-Generalsekretär António Guterres geben, anschließend soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video zugeschaltet werden.

Die vereinbarten Munitionslieferungen an die Ukraine werden auch ein Thema des Gipfels sein, Streit gibt es aber an anderen Stellen: der deutschen Blockade beim Verbrenner-Aus und der Atomkraft.

Der Streit über das Verbrenner-Aus

Eigentlich war die Sache längst durch. Erst hatten sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten untereinander geeinigt, dann auch mit dem Europaparlament. Ab 2035 sollen in der EU nur noch Autos neu zugelassen werden, die kein CO2 mehr ausstoßen. Auf Drängen der FDP wurde die EU-Kommission außerdem aufgefordert, Möglichkeiten für den Einsatz sogenannter E-Fuels, also synthetischer Kraftstoffe zu prüfen. Und genau hier scheiden sich die Geister.

Denn für Verkehrsminister Volker Wissing ist damit klar, dass Verbrennungsmotoren mit klimaneutralen E-Fuels auch nach 2035 betrieben werden können - was aber nicht nur die EU-Kommission ganz anders sieht. Seit Tagen wird nach einem Kompromiss gesucht, bisher allerdings vergeblich.

In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten ist man über die deutsche Blockade in letzter Sekunde wahlweise erstaunt, verärgert oder empört. Schließlich hatte auch Deutschland der Einigung schon zugestimmt. Und was, wenn demnächst auch andere auf die Idee kommen, ausgehandelte Vereinbarungen wieder infrage zu stellen?

Das Thema steht zwar offiziell gar nicht auf der Tagesordnung, Bundeskanzler Olaf Scholz sollte sich aber trotzdem schon mal auf ein paar kritische Fragen gefasst machen.

 

Die Rüstungshilfe für die Ukraine

Der ukrainischen Armee geht allmählich die Munition aus. Damit sich das Land gegen die russischen Angreifer verteidigen kann, will die EU für Nachschub sorgen und in den nächsten zwölf Monaten eine Million Artilleriegranaten zur Verfügung stellen. Sie sollen aus eigenen Beständen geliefert und mit Sammelbestellungen zu möglichst günstigen Preisen eingekauft werden. Etwa über die Europäische Verteidigungsagentur oder, weil das schneller gehen könnte, über nationale Kaufverträge - so plant es die Bundesregierung.

"Zwei Milliarden will man investieren", Michael Grytz, ARD Brüssel, zu EU-Gipfel über mehr Munition für Ukraine

tagesschau, 23.03.2023 12:00 Uhr

Für die Munitionsbeschaffung will die EU zwei Milliarden Euro aus ihrem Friedensfonds bereitstellen. Außerdem ist im Gespräch, die Rüstungsindustrie in der EU beim Ausbau ihrer Kapazitäten zu unterstützen - was allerdings nicht unumstritten ist.

 

Die Reform der europäischen Strommärkte

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind nicht nur die Gaspreise durch die Decke gegangen, sondern auch die Kosten für den Strom. Denn das sogenannte Merit-Order-System sorgt dafür, vereinfacht gesagt, dass teure Gaskraftwerke zwar erst zum Einsatz kommen, wenn man sie wirklich braucht - aber dann den Preis für den gesamten Markt vorgeben. Also auch für Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen, der eigentlich deutlich billiger wäre.

Viele EU-Staaten, vor allem im Süden, würden deshalb die Kopplung der Strom- und Gaspreise am liebsten beenden. Aber so weit will die EU-Kommission nicht gehen. Von einer Revolution ist keine Rede mehr, stattdessen sollen langfristige Versorgungsverträge die Preise dauerhaft stabil halten.

Außerdem will die Kommission den EU-Staaten erlauben, die Produktion von kostengünstiger Energie großzügiger zu fördern. Investitionen in Ökostrom zum Beispiel, aber auch in Atomkraft. Ländern wie Portugal oder Spanien dürfte das zu wenig sein. Andere, wie Deutschland, Finnland oder die Niederlande, warnen dagegen vor Nachteilen und verlangen, dass erstmal die möglichen Folgen dieser Reform gründlich geprüft werden.

 

Der Ärger mit der Atomenergie

Schon wieder geht es um die Frage, ob die Kernkraft als sauber und klimafreundlich eingestuft wird oder nicht. Mit dem sogenannten "Netto-Null-Industrie-Gesetz" will sich die EU bei wichtigen grünen Technologien unabhängiger von Lieferanten aus dem Ausland machen, etwa von China. Deshalb sollen nachhaltige Branchen großzügig mit Staatsgeld gefördert werden, auch damit keine Unternehmen in die USA abwandern, wo die Regierung von Präsident Joe Biden mit milliardenschweren Subventionen winkt.

Als förderwürdig sind unter anderem sauberer Wasserstoff im Gespräch, CO2-Speicher, synthetische Kraftstoffe und: Mini-Atomreaktoren - auf ausdrücklichen Wunsch von Frankreich, das sich sogar noch mehr Unterstützung für seine nuklearen Pläne vorstellen könnte. Deutschland und Österreich wollen dagegen verhindern, dass die Atomenergie als grün gilt. Entschieden wird darüber bei diesem Gipfel aber nicht. 

Stephan Ueberbach, Stephan Ueberbach, ARD Brüssel, 23.03.2023 05:41 Uhr