
Grünes EU-Label für Kernenergie Die Allianz gegen Atomkraft ist klein
Nach dem Willen der EU soll Kernenergie als nachhaltig gelten. Das stößt besonders Deutschland und Österreich sauer auf. Doch das Lager der Atomkraft-Gegner hat in der Union zu wenig Gewicht, um die Einstufung abzuwenden.
Die Rechnung der EU-Kommission ist einfach: Der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft lässt den Bedarf an Elektrizität kräftig steigen. Das schafft in den kommenden Jahren eine Versorgungslücke, die mit erneuerbaren Energien allein nicht zu schließen ist.
Also kam Brüssel mit dem Gesetz nun jenen entgegen, die wie Frankreich auf Atomstrom setzen wollen, und jenen die wie Deutschland Gaskraftwerke bevorzugen. Allerdings gäbe es da ein klares Ungleichgewicht, meint nicht nur der CSU-Europapolitiker Markus Ferber.
"Der klare Gewinner ist Frankreich. Frankreich hat die Bedingungen für nachhaltige Kernkraft der Kommission in den Block diktiert und ist auf die Sonderwünsche Deutschlands nicht besonders eingegangen", sagte er. Deswegen stehe die Bundesregierung insgesamt als großer Verlierer der Debatte zur Taxonomie in Energiefragen auf europäischer Ebene da.
Österreich hofft auf Bündnis
Bereits im Oktober hatte die Regierung in Paris zusammen mit Finnland und acht osteuropäischen EU-Ländern eine Initiative gestartet, Atomkraft in die Taxonomie aufzunehmen. Im Ergebnis sind die Fristen und Bedingungen für Atommeiler deutlich moderater als für Gaskraftwerke.
In beiden Fällen aber sollen aber nicht nachhaltige Energieträger grün gewaschen werden, meinte Leonore Gewessler im Morgenjournal des Senders ORF. Die österreichische Klimaschutzministerin hofft nun auf eine Allianz vor allem gegen die Atomkraft, weil die besonders gefährlich sei.
Deutschland habe sich bereits im Vorfeld des Entwurfs gemeinsam mit Portugal, Dänemark, Spanien und Luxemburg sehr deutlich gegen die Atomkraft ausgesprochen haben, betonte Gewessler. Nun seien zwei Schritte möglich: "Es gibt jetzt diese Rückmeldephase der Nationalstaaten. Dann braucht es ein erhöhtes Quorum bei den Nationalstaaten. Im Europäischen Parlament bräuchte es für eine Ablehnung nur eine einfache Mehrheit", sagte sie.
Klagen könnten bevorstehen
Die aber ist ebenso wenig wahrscheinlich, wie ein Nein im Rat der 27 EU-Staaten. Dafür bräuchte es 20 Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung vertreten, erklärt Jutta Paulus, die für die Grünen im Umweltausschuss des EU-Parlaments sitzt: "Das wird aller Voraussicht nach schwierig werden. Die Lobby hat ganze Arbeit geleistet."
Die habe beispielsweise den zentralen und osteuropäischen Ländern eingeredet, bei ihnen würde keine Sonne scheinen und auch kein Wind wehen, und deswegen bräuchten sie unbedingt Gas und Atom, um aus der Kohle auszusteigen. "Aber selbstverständlich werden wir alle Wege nutzen, die uns offen stehen", kündigte Paulus an. Sie glaube, dass der Europäische Gerichtshof die eine oder andere Klage zu diesem Thema bekommen wird.
Mit Gutachten abgesichert?
Frühestens nach vier Monate, könnte der Kommissionsvorschlag geltendes Recht sein. Dann wären auch Klagen möglich. Die EU-Taxonomie-Verordnung würde dann vor Europäischen Gerichtshofs landen. EU-Diplomaten gehen allerdings davon aus, dass die Kommission ihren Vorstoß unter anderem mit einem Gutachten ihres wissenschaftlichen Dienstes und weiteren Expertenmeinungen gut abgesichert habe.