Retten tragen einen Leichensack in Antakya in der Türkei. Im Hintergrund sind die Trümmer eines eingestürzten Gebäudes zu sehen.

296 Stunden nach Erdbeben Drei Menschen gerettet - viele weitere Tote

Stand: 19.02.2023 02:44 Uhr

296 Stunden nach dem Erdbeben haben Einsatzkräfte weitere Menschen aus in den Überresten eines Gebäudes in Antakya in der Türkei gerettet. Die Zahl der Toten stieg unterdessen auf mehr als 45.000. Bundeskanzler Scholz versprach weitere Hilfe.

In der vom Erdbeben verwüsteten türkischen Stadt Antakya haben Einsatzkräfte drei Überlebende aus den Trümmern eines Wohnhauses gerettet. Die drei Menschen - ein Mann, eine Frau und ein Kind - hatten 296 Stunden in den Überresten des Gebäudes gelegen, wie ein örtlicher Fernsehsender berichtete. Die Aufnahmen zeigten, wie Sanitäter dem Mann einen Tropf anlegten, bevor alle in Krankenwagen gebracht wurden. Das Kind starb allerdings nach seiner Rettung.

Viele weitere Menschen konnten nur noch tot geborgen werden - so etwa der ghanaische Fußballspieler Christian Atsu. Einsatzkräfte bargen seinen Leichnam aus den Trümmern seines Wohnhauses in Antakya. Atsu hatte zuletzt für den türkischen Verein Hatayspor gespielt.

Derzeitige Lage in der Erdbebenregion

Michael Schramm, ARD Istanbul, tagesschau 20:00 Uhr

Mittlerweile mehr als 45.000 Tote

Zwölf Tage nach den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Totenzahl inzwischen auf über 45.000 gestiegen. Gut 264.000 Wohnungen wurden allein in der Türkei nach Behördenangaben zerstört. Zahlreiche Menschen werden immer noch vermisst. Nach Angaben des türkischen Katastrophenschutzes Afad sind noch immer mehr als 40.000 Retter aus dem In- und Ausland im Einsatz, um Verschüttete zu bergen.

Nach Regierungsangaben sind im türkischen Teil der Region noch immer mehr als 600 Kinder ohne Begleitung. 953 Kinder, die zuvor ebenfalls unbegleitet waren, seien inzwischen wieder mit ihren Familien vereint, teilte das Präsidialamt mit. Von 247 Kindern fehlen den Angaben zufolge weiterhin Informationen über deren Identitäten.

Scholz verspricht weitere Hilfe aus Deutschland

In Deutschland ist die Betroffenheit über die Erdbebenkatastrophe nach wie vor groß. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versicherte den Opfern in der Türkei und Syrien weiterhin die Solidarität Deutschlands. In einer Videobotschaft mit türkischen und arabischen Untertiteln sagte er: "Wir können die Katastrophe nicht ungeschehen machen. Aber wir können helfen in der Not. Und Deutschland hilft."

Zudem dankte Scholz allen Helfenden aus Deutschland. "In kürzester Zeit haben Sie eine Brücke des Mitgefühls errichtet, eine Brücke der Solidarität zwischen unseren Ländern, die menschlich so eng verbunden sind." Rund drei Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland stammten aus der Türkei - auch aus den schwer zerstörten Provinzen Hatay und Gaziantep. Viele weitere hätten Wurzeln in Syrien.

Bundesregierung stockt Hilfe für Syrien auf

Die Bundesregierung sicherte den Opfern des schweren Erdbebens im Norden Syriens weitere Hilfen in Millionenhöhe zu. "Auch wenn das Assad-Regime den Hilfsorganisationen einen Stein nach dem anderen in den Weg legt: Wir lassen die Menschen dort nicht allein", sagte Außenministerin Annalena Baerbock der "Bild am Sonntag". Es gehe um Mütter, Kinder und Großeltern, die seit über zehn Jahren Krieg erleben, teils mehrmals flüchten mussten und nun ihre Liebsten unter den Trümmern betrauern. "Ihnen fehlt jetzt selbst das Allernötigste zum Überleben: ein Dach über dem Kopf, sauberes Trinkwasser, etwas zu Essen und Medikamente. Deshalb erhöhen wir noch einmal unsere Hilfe für die Region um 22 Millionen Euro."

Auch umstrittene Hilfe für Erdbebenopfer

Einige Hilfen, die nun im Erdbebengebiet ankommen, sind aber auch umstritten: Lieferungen der libanesischen Hisbollah beispielsweise. Am Samstag wollte die Schiitenmiliz eigenen Angaben zufolge 29 Lastwagen mit Decken, Heizgeräten und Milchpulver nach Aleppo schicken. Hisbollah-Kämpfer haben im syrischen Krieg maßgeblich dabei geholfen, die dortige Regierung an der Macht zu halten. Syriens Opposition sieht die Hilfe der Miliz kritisch. Der Sprecher eines Oppositionsbündnisses sagte der Nachrichtenagentur dpa, er gehe davon aus, dass die Hisbollah den Augenblick nutzen werde, um noch mehr Kämpfer, Waffen und Drogen ins krisengeplagte Nachbarland zu schmuggeln.

Auch der IS nutzt das Erbeben zu seinen Gunsten: Während die Öffentlichkeit abgelenkt ist, verübt die Terrororganisation schwere Anschläge in Syrien. IS-Attentäter hätten in Al-Suchna im Osten Syriens zunächst einen Checkpoint der Regierung attackiert, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Schließlich sollen sie auf einem Feld "wahllos" mit Maschinengewehren auf Zivilisten geschossen haben, die dort nach Trüffeln suchten. Mindestens 68 Menschen starben den Angaben nach.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 18. Februar 2023 um 12:00 Uhr.