
Corona-Pandemie Warum das Impfen in Spanien läuft
Während in Deutschland die Impfquote nur langsam steigt, geht es in Spanien deutlich schneller voran. Gut 70 Prozent der Menschen sind vollständig gegen Covid-19 geimpft. Das liegt auch an der Impfkultur im Land.
Amelie zeigt das Pflaster am Oberarm, als sie aus einem Impfzentrum in Madrid kommt. Für die 15-Jährige heißt es jetzt "pauta completa", sie ist nun vollständig geimpft. "Ich fühle mich gut. Bald kann ich mich wieder entspannt mit meinen Freundinnen treffen oder auf eine Party gehen."
Amelie hat sich ohne Termin impfen lassen. Das ist allein in Madrid inzwischen in zwölf Impfzentren möglich, in zwei Zentren sogar 24 Stunden am Tag. Bis vor Kurzem war noch streng geregelt, wer in Spanien wann geimpft wird: zuerst die Älteren, dann die Jüngeren, Ausnahmen gab es nur wenige.
Strenges Verfahren zeigt Erfolg
Die Termine wurden zentral vergeben - per Anruf oder SMS mit knappem Vorlauf von ein oder zwei Tagen. Niemand musste sich selbstständig um die Corona-Impfung bemühen. Das sei eine gute Strategie der Regierung gewesen, sagt der Madrider Soziologe Josep Lobera, der gerade eine Studie zum Fortschritt der Impfkampagne in Spanien erarbeitet hat.
"Die Menschen haben einfach den Erfolg dieses vergleichsweise strengen Verfahrens miterlebt - in ihrer Altersgruppe: Gleichaltrige Freunde oder Nachbarn bekamen etwa zur gleichen Zeit einen Termin, ließen sich impfen, da wollte kaum jemand außen vorbleiben", erklärt Lobera. "Viele fühlten auch eine gesellschaftliche Verantwortung."

Viele junge Menschen in Spanien sehen sich in der Pflicht, ihre älteren Familienmitglieder zu schützen. Bild: dpa
Viele Junge leben noch zu Hause
Dazu kommt, dass in Spanien die Familie einen hohen Stellenwert hat. Man verbringt viel Zeit miteinander, Jüngere hätten sich in der Pflicht gesehen, sich impfen zu lassen, um eine geringere Gefahr für ältere Familienmitglieder zu sein, sagt der Soziologieprofessor.
Junge Menschen in Spanien studierten häufiger als in anderen Ländern Europas in ihrer Heimatstadt, erklärt er. "Sie leben noch lange Zeit bei ihren Eltern. Auch wenn sie später arbeiten, ziehen sie eher selten in andere Städte. Das heißt, sie sehen die Eltern und Großeltern auch deshalb öfter als junge Menschen in anderen Ländern, wo die Familie auch eine wichtige Rolle spielt, man aber nicht unbedingt in der Nähe oder sogar im selben Haus mit ihr lebt."
Ein weiterer Faktor ist die Impfkultur in Spanien. Ende der 1970er-Jahre hat das Land eine Polio-Epidemie dank Impfungen besiegt, sagt Lobera. Es war die Zeit, als in anderen europäischen Ländern impfskeptische Bewegungen aufkamen. In Spanien konnten sie nicht Fuß fassen. Stattdessen erlangte das staatliche Gesundheitssystem ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Spanische Kinderärzte berichten, dass so gut wie keine Eltern die Schutzimpfungen für Kleinkinder infrage stellten.
Ziel: Den 100 Prozent näherkommen
Und so lehnen nach offiziellen Zahlen nur etwa sechs Prozent der Spanierinnen und Spanier die aktuelle Corona-Impfung ab. "70 Prozent der Menschen sind nun vollständig geimpft", sagte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez diese Woche. "Das macht uns zu 100 Prozent stolz und zu 100 Prozent überzeugt davon, dass wir den Kampf gegen das Virus gewinnen."
Sánchez betonte aber auch, dass weiter geimpft werden müsse. "Nach den 70 Prozent sollten die 80 und vielleicht auch die 90 Prozent folgen. Je näher wir den 100 Prozent kommen, umso stärker schützen wir unser Land, unsere Freunde und Familie und sorgen dafür, dass es wirtschaftlich wieder bergauf geht."
Auch die 15-jährige Amelie will die Normalität zurück, erzählt sie. Auch deshalb habe sie sich impfen lassen. Sie wolle wieder ausgehen und das Leben genießen - mit weniger Risiko für sie selbst und die anderen Menschen.