Eine Simulation der Brücke von Messina

Meerenge von Messina Warum Italiens Mega-Brücke für Zwist sorgt

Stand: 09.03.2024 11:21 Uhr

Die längste Hängebrücke der Welt soll ab 2032 Sizilien ans italienische Festland anbinden. Ungeachtet der Kritik an dem Megaprojekt soll der Bau über die Meerenge von Messina nun beginnen.

Es wird ernst, das glaubt auch Daniele Ialaqua. Der Umweltaktivist steht im Norden Messinas am Ufer und deutet auf die Stelle, an der die Brücke gebaut werden soll. "Der Termin der Europawahl wird wahrscheinlich zu einer symbolischen Eröffnung der Baustelle führen", befürchtet er. "Wir werden dort mit unseren Protesten präsent sein", kündigt er an.

Ialaqua ist das Gesicht der Widerstandsinitiativen gegen die Brücke über die Meerenge von Messina. Der 61 Jahre alte Lehrer kämpft seit fast vier Jahrzehnten gegen das Megaprojekt. Und will sich noch nicht geschlagen geben.

Einer seiner Gegenspieler ist Pietro Ciucci. Der Chef der halbstaatlichen Brückengesellschaft Stretto di Messina sitzt in seinem Büro im ersten Stock der Firmenzentrale und strahlt gelassene Zuversicht aus. "Wir legen los", sagt Ciucci. Die Projektplanungen aus dem Jahr 2011 seien aktualisiert, der Verwaltungsrat der Brückengesellschaft habe es endgültig genehmigt. Ziel sei, die ersten Baustellen im Sommer 2024 zu eröffnen.

Pietro Ciucci steht vor einem Modell der Brücke von Messina, das in einem, Glaskasten zu sehen ist.

Pietro Ciucci, Chef der Brückenbaugesellschaft meint, der Bau werde im Sommer beginnen.

Kein Bauprojekt wurde länger diskutiert

Über kein Bauprojekt ist in Italien länger diskutiert worden als über die Brücke, die Sizilien mit dem italienischen Festland verbinden soll. 1969, vor mehr als 50 Jahren, rief Italiens Regierung den ersten Ideenwettbewerb zum Bau einer Brücke über die Meerenge aus.

Planungen in jüngerer Vergangenheit, beispielsweise unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi, wurden von nachfolgenden Regierungen gekippt, unter anderem aus finanziellen Gründen. Die häufig kurze Amtszeit der Regierungen in Rom erschwerte langfristige Planungen.

Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und insbesondere der zuständige Transportminister Matteo Salvini haben nun das Projekt zum nationalen Prestigeprojekt erklärt. Der Bau, meint Salvini, "wird ein Riesenschritt für Italien sein, für den uns noch unsere Kinder danken werden".

Karte mit Italien und Sizilien

Längste Hängebrücke der Welt

Für den Baustart stehen in Italiens Haushalt 700 Millionen Euro bereit, insgesamt soll die Brücke 13,5 Milliarden kosten. Gemessen an der geplanten Spannweite von 3,3 Kilometern, soll die längste Hängebrücke der Welt entstehen. Vier Fahrspuren plus zwei Standstreifen sind vorgesehen, in der Mitte zwei Hochgeschwindigkeitsbahngleise. Teil des Brückenprojekts ist laut Ciucci auch der Bau einer U-Bahn, die Messina mit Villa San Giovanni und Reggio Calabria auf der anderen Seite der Meerenge verbindet.

Circa 200 Züge pro Tag sollen über die Brücke fahren, rund 6.000 Autos und Lastwagen pro Stunde. Die Fertigstellung ist für 2032 geplant, sie soll eine ununterbrochene Bahn- oder Autofahrt von Berlin nach Palermo möglich machen. Mit dem Zug würde es von Rom nach Palermo dann nur noch sechs statt derzeit zehn bis zwölf Stunden dauern.

Siziliens Wirtschaft macht sich Hoffnung

Herbeigesehnt wird die Brücke von der sizilianischen Wirtschaft, die sich abgeschnitten fühlt von Italien und dem Rest Europas. Bislang müssen alle Waren von und nach Sizilien mit Lastwagen und Fähre oder dem Flugzeug transportiert werden. "Leider leben wir seit ewig mit diesem strukturellen Nachteil gegenüber der Konkurrenz auf dem Festland", klagt Pietro Franza, in Messina Chef des Unternehmerverbands Confindustria. Die Situation würde sich mit der Brücke ändern, der Bau sei für Sizilien "eine Riesenchance".

Die Wirtschaftsleistung der Insel, glaubt Franza, könnte sich dank der Brücke "mindestens verdoppeln". Sizilien hätte die Chance, ein "Hub" zu werden für den Handel zwischen dem "in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich stark wachsenden Afrika" und Nordeuropa.

Wenn Sizilien ans Festland angebunden sei, so Franzas Vision, bräuchten Schiffe im Mittelmeer nicht mehr "Rotterdam oder andere Häfen im Norden ansteuern", sondern könnten ihre Waren von Sizilien aus auf die Reise durch Europa schicken - mit einem Zeitgewinn von drei bis vier Tagen.

Danieel Ialaqua

Umweltschützer Daniele Ialaqua hält die Brücke von Messina für eine große Gefahr für Zugvögel. 100.000 könnten pro Jahr dort verenden.

Warnung vor Erdbeben und Gefahren für die Natur

Umweltschützer wie Daniele Ialaqua dagegen sehen in dem Projekt große Gefahren. Die Meerenge sei ein stark erdbebengefährdetes Gebiet. Einer Erdbebenkatastrophe wie im vergangenen Jahr in der Türkei wäre die Brücke nicht gewachsen.

Auch ökologisch sei das Bauprojekt ein Problem. Denn über die Meerenge von Messina, sagt Ialaqua, verlaufe eine der drei wichtigsten Zugvögelrouten im Mittelmeerraum. Es bestehe die Gefahr, dass mehrere 100.000 Vögel pro Jahr an der Brücke verenden. "Dieser Landstrich ist hochsensibel und verletzlich. Die Brücke würde die Risiken und Gefahren erhöhen", befürchtet Ialaqua.

Der Chef der Brückengesellschaft Ciucci dagegen verweist darauf, dass 60 Millionen Euro der Baukosten in ein begleitendes Umweltmonitoring fließen. Für Zugvögel würden Rastplätze geschaffen, die Beleuchtung der Brücke sei so geplant, dass die Fische darunter nicht gestört werden.

Auch allen anderen Herausforderungen sei die Brücke gewachsen, sagt Ciucci. Die "Erdbebencharakteristik der Gegend" sei bekannt, der häufig starke Wind ebenfalls. Genau darauf sei die Planung der Brücke ausgerichtet. Auch ein Erdbeben der Stärke 7,1, wie es sich vor rund 100 Jahren in Messina ereignet und circa 200.000 Menschen das Leben gekostet hat, würde der Brücke laut Ciucci nichts anhaben.

Die Umweltschützer haben für die kommenden Wochen neue Proteste angekündigt. Unter anderem gegen den für den Brückenbau geplanten Abriss von 300 Gebäuden, von dem mehrere tausend Menschen betroffen wären. Der Brückenpylon auf sizilianischer Seite soll in einem bislang stark bewohnten Gebiet errichtet werden. "Ich denke, sie setzen jetzt auf eine schnelle symbolische Grundsteinlegung. Den ersten Stein lassen wir sie vielleicht noch legen - den zweiten nicht", sagt Daniele Ialaqua.

Jörg Seisselberg, ARD Rom, tagesschau, 09.03.2024 11:17 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. März 2024 um 09:10 Uhr.