Ein russischer Soldat steht vor dem ukrainischen AKW Saporischschja (Archiv)

Kernkraftwerk Saporischschja Putin erklärt AKW zum Eigentum Russlands

Stand: 05.10.2022 18:54 Uhr

Russlands Präsident Putin hat das ukrainische AKW Saporischschja zu russischem Eigentum erklärt und eine russische Verwaltung des Kraftwerks angeordnet. IAEA-Chef Grossi befindet sich derweil auf dem Weg nach Kiew.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Regierung in Moskau beauftragt, das von seinen Truppen besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja zu verstaatlichen. "Die Regierung ist angewiesen zu gewährleisten, dass Objekte zur Nutzung von Atomenergie des Kernkraftwerks Saporischschja und anderes für dessen Funktion notwendiges Eigentum in den staatlichen Besitz übernommen werden", heißt es in dem veröffentlichten Dekret.

Das AKW Saporischschja ist das größte Kernkraftwerk in Europa. Russland kontrolliert das AKW faktisch seit Anfang März, als Moskaus Truppen im Zuge des Angriffskriegs große Teile der Südukraine besetzten.

IAEA-Chef Grossi in Kiew erwartet

Unterdessen teilte der Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Rafael Grossi, bei Twitter mit, er sei auf dem Weg in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Der Leiter des AKW, Ihor Muraschow, war Tage zuvor von russischen Truppen festgenommen worden. Mittlerweile ist er nach Angaben der IAEA, die mit mehreren Experten vor Ort ist, wieder bei seiner Familie. 

Grossi erklärte, er sei auf dem Weg "zu wichtigen Treffen. Der Bedarf für eine Schutzzone um das Kraftwerk ist dringender denn je". Bereits zuvor hatte die IAEA angekündigt, Grossi reise noch diese Woche erst nach Kiew und dann nach Moskau, um Beratungen über die Einrichtung einer Sicherheitszone rund um das AKW fortzusetzen.

Die Anlage geriet in den vergangenen Wochen immer wieder unter Beschuss, für den sich Moskau und Kiew gegenseitig verantwortlich machten. Der Beschuss sowie Kämpfe in der Nähe des Atomkraftwerks schüren die Angst vor einer Atomkatastrophe. 

Ukraine: Leitung von AKW bei Enerhoatom-Präsident

Trotz der russischen Ankündigung teilte der Chef des ukrainischen Atomenergieunternehmens Enerhoatom, Petro Kotin, mit, er werde die Leitung des Atomkraftwerks übernehmen. Kotin sagte, er werde das AKW von Kiew aus leiten.

Enerhoatom hatte den letzten der Reaktoren in Saporischschja am 11. September heruntergefahren, weil es wegen Kämpfen keine sichere Stromleitung mehr zur Außenwelt gab. Schon damals erklärte die ukrainische Regierung, das sei nur eine unzuverlässige Notlösung. Auch abgeschaltete Reaktoren müssen gekühlt werden, weil die Brennstäbe weiter Hitze abgeben und andernfalls schmelzen können. Auch die Sicherheitssysteme brauchen Strom.

Mittlerweile teilte Kotin mit, dass ein Wiederanfahren des Atomkraftwerks erwogen werde. Bei Frost bestehe die Gefahr, dass Sicherheitsanlagen beschädigt würden. "Sie brauchen also eine Heizung und die einzige Heizung wird von einem laufenden Reaktor kommen", sagte er. Das Kraftwerk sei zudem die einzige Heizmöglichkeit für die nahe gelegene Stadt Enerhodar. Auch die IAEA bestätigte Vorbereitungen der AKW-Belegschaft zum Wiederanfahren eines der sechs Atomreaktoren im Kraftwerk.

Andrea Beer, WDR, 06.10.2022 06:20 Uhr