Dampf steigt aus den Kühltürmen des Atomkraftwerks Doel bei Antwerpen (Archivbild vom 26.02.2016).

Belgischer Pannenreaktor Doel 3 wird abgeschaltet

Stand: 23.09.2022 12:18 Uhr

Der Reaktor Doel 3 geht vom Netz - als erster Meiler in Belgien, der im Rahmen des Atomausstiegs abgeschaltet wird. Er ging vor 40 Jahren erstmals in Betrieb, wurde aber wegen vieler Störfälle immer wieder abgeschaltet.

Im Laufe des Abends drücken die Techniker im Kontrollzentrum der Atomanlage Doel im Antwerpener Hafen die Knöpfe, Steuerstäbe fahren langsam in die Brennelemente von Reaktorblock 3, die Kettenreaktion stoppt, der Meiler geht vom Netz - der erste in Belgien, der im Rahmen des Atomausstiegs abgeschaltet wird.

Ein längst überfälliger Schritt, findet Jan Vande Putte von Greenpeace: "Ein historischer Moment, aber das ist der unvermeidliche Lauf der Geschichte. Die Kernenergie ist am Ende, diese alten Reaktoren sind am Ende, sie sind sehr unzuverlässig geworden und werden immer gefährlicher, und deshalb ist ihre Abschaltung nur die logische Konsequenz."

Jahrzehntelange Serie von Pannen

Angeschaltet wurde Doel 3 erstmals vor vierzig Jahren. Der Betreiber Engie Electrabel versichert auf seiner Website, dass der Reaktortyp zu den sichersten weltweit gehöre. Aber dieser spezielle Meiler machte als Pannenreaktor immer wieder Schlagzeilen: vor zehn Jahren fanden Fachleute tausende feine Risse im Reaktordruckbehälter, Lecks im Kühlsystem, kaputte Schalter - insgesamt blieb Doel 3 rund drei Jahre lang abgeschaltet.

Auch im Meiler Tihange 2 bei Lüttich gab es massive Probleme. Er soll spätestens Anfang Februar vom Netz gehen. "Diese beiden Reaktoren abzuschalten, Tihange 2 und Doel 3, die ganz in der Nähe von Nordrhein-Westfalen liegen, ist aus sicherheitstechnischer Sicht eminent wichtig", sagt Vande Putte. "Die sollten gar nicht mehr in Betrieb sein, und die Tatsache, dass sie es noch sind, ist absolut unverantwortlich"

Auch Belgien diskutiert Aufschub des Atomausstiegs

Umweltaktivisten auf beiden Seiten der Grenze protestieren seit Jahren. Aber Belgiens Regierung hat beide Reaktoren trotz großer Bedenken in den Nachbarländern weiterlaufen lassen - bis jetzt.  Und bis zuletzt hat die belgische Koalition um das Aus für Doel 3 gestritten. Denn auch in Belgien ist Strom extrem teuer. Vor einigen Tagen erklärte die christdemokratische Innenministerin Annelies Verlinden, sie wolle einen Aufschub für die Abschaltung prüfen lassen.

Die Grünen - ebenfalls in der Regierung- protestierten, auch Premierminister Alexander de Croo war nicht begeistert: "Das sind Diskussionen, die man nicht in der Presse führen sollte. Das habe ich auch deutlich intern gesagt. Aber ich würde sagen, dass wir alle die gleiche Sorge teilen, kein Risiko in Bezug auf die Versorgungssicherheit einzugehen. Momentan glaube ich nicht, dass es da Unsicherheit gibt."

Stilllegung nur schwer zu verschieben

Es sei weder klug noch ratsam, die Stilllegung von Doel 3 zu verschieben, sagt der Direktor der Anlage, Peter Moens. Allein neuen Brennstoff zu bestellen würde Jahre dauern. Dazu kämen ungelöste Sicherheitsfragen.

In diesem Punkt sind sich der Kernkraftwerksdirektor und Greenpeace-Experte Vande Putte sogar einig: "Das ist nicht wie eine Keksfabrik, die man einfach weiterlaufen lassen kann. Man müsste erstmal abschalten, dann viel in diese alten Reaktoren investieren, und der ganze Prozess, einschließlich des rechtlichen Verfahrens, dauert etwa fünf Jahre. Das ist also absolut keine Lösung für die aktuelle Energiekrise."

Rückbau kostet eine Milliarde Euro

Nach der Abschaltung von Doel 3 müssen die Brennelemente abkühlen, dann kommen sie in die Abklingbecken. Später spülen die Experten den Primärkreislauf mit einer chemischen Lösung, um möglichst viel Radioaktivität zu entfernen. Ab dem kommenden Frühjahr wird der abgekühlte Brennstoff in spezielle Lager- und Transportbehälter umgeladen.

Der Rückbau kostet rund eine Milliarde Euro und soll 2026 beginnen. Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollten dann auch die übrigen fünf belgischen Reaktoren vom Netz sein. Aber die Regierung in Brüssel hält sich angesichts der Energiekrise eine Hintertür offen: Bei Versorgungsproblemen können die beiden jüngsten Reaktoren zehn Jahre länger laufen. 

Jakob Mayr, Jakob Mayr, ARD Brüssel, 23.09.2022 11:41 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 23. September 2022 um 09:38 Uhr.