Vögel fliegen über das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde der Lausitzer Energie Bergbau AG (LEAG) in Brandenburg

60 Prozent weniger CO2-Ausstoß EU-Parlament beschließt schärfere Klimaziele

Stand: 07.10.2020 16:52 Uhr

Das Europaparlament hat das EU-Klimaziel bis 2030 verschärft. Der Ausstoß von Treibhausgasen soll im Vergleich zu 1990 um 60 Prozent sinken - stärker als die EU-Kommission zuvor gefordert hatte.

Selbst die Grünen waren nach der Abstimmung überrascht. Wochenlang hatten sie in den anderen Fraktionen nach Unterstützern gesucht. Das Klimaziel sollte noch einmal drastisch verschärft werden, deutlich über den Vorschlag der Brüsseler Kommission hinaus. Die hatte 55 Prozent Absenkung der Treibhausgase vorgeschlagen, bis zum Jahr 2030. Als heute im Europaparlament die Stimmen ausgezählt wurden, war klar: Die Mehrheit will, dass die Treibhausgase um 60 Prozent reduziert werden.

"Das ist ein Meilenstein für den Klimaschutz. Das ist auch ein Erfolg derjenigen, die für das Klima auf die Straße gegangen sind, von Fridays for Future. Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen", sagte Michael Bloss, Umweltexperte der Grünen.

Neue Berechnungsmethode der EU-Kommission

Dass außer den Grünen auch die Sozialdemokraten und viele Liberale für die Verschärfung der Klimaziele gestimmt haben, liegt auch am Ärger über neue Berechnungsmethoden der Kommission. Sie wollte neuerdings mit berücksichtigen, wie viel CO2 die Wälder in Europa speichern und diesen Abbau auf das Klimaziel anrechnen. Viele im Parlament vermuten dahinter eine Aufweichung der Klimaziele, darunter auch die Sozialdemokraten.

Delara Burkhardt, Umwelt-Expertin der SPD, sieht das Europaparlament jetzt gestärkt. Das Votum des Europäischen Parlaments für ein ambitioniertes 2030-Ziel von 60 Prozent sei nicht nur richtig mit Blick auf das, was die Wissenschaft rät, sondern stärke auch die Verhandlungsposition gegenüber den Mitgliedsstaaten, so Burkhardt. "Wir dürfen das Spielfeld da nicht den Klimaleugnern wie der polnischen Regierung überlassen. Mit dem Europäischen Rat können wir verhandeln, mit dem Klima nicht."

Viele Christdemokraten gegen Verschärfung

Das neue Klimagesetz stellt die Weichen, wie der CO2-Abbau in den Mitgliedsländern zu erreichen ist. Die meisten Christdemokraten im EU-Parlament hatten schon Vorbehalte gegen das 55-Prozent-Ziel - selbst das wäre bereits eine große Belastung für die Industrie, sagte der CDU-Politiker Peter Liese, ebenso für die Verbraucher. "Wenn wir das Ganze noch weiter treiben auf 60 Prozent, dann wird das für viele Menschen einfach nicht machbar sein. Dann werden wir soziale Härten haben", so Liese. Insbesondere Menschen, die auf ihr Auto angewiesen seien und sich nicht so schnell umstellen könnten, würden darunter leiden.

Die Liberalen im Europaparlament sind gespalten. Die meisten unterstützten die Verschärfung der Klimaziele auf minus 60 Prozent. Aber in den Reihen der deutschen FDP-Abgeordneten sieht man das anders. Nicola Beer warnt vor Risiken am Binnenmarkt: "Sechzig Prozent zu verlangen, das drückt einige EU-Mitgliedsstaaten sozial und wirtschaftlich gegen die Wand. Gerade in Zeiten der Umbrüche, wie wir sie mit Brexit und mit der Pandemie erleben, macht das unserer Wirtschaftskraft zu schaffen", so Beer. Gerade jetzt brauche man mehr Jobs, nicht weniger.

Polen und Tschechien bremsen bei Klimapolitik

Die Sorge um den Arbeitsmarkt halten die Befürworter des 60-Prozent-Ziels für überzogen. Die Industrie sei mit Ideen für eine umweltschonende Produktion in vielen Branchen weiter als die Politik, sagen sie. Und: Klare Vorgaben würden helfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. So will die Brüsseler EU-Kommission die klimafreundliche Umstellung der Wirtschaft unterstützen. Ein Drittel der Gelder aus dem 750-Milliarden-Paket gegen die Corona-Krise soll gezielt in die Förderung der klimafreundlich arbeitenden Wirtschaft gehen. Für die Förderung der Energiegewinnung durch Erneuerbare wie Windkraft, Solarenergie und Wasserstoff sind Sonderprogramme geplant.

Das Klimagesetz liefert die Voraussetzung für die Verhandlungen mit den 27 Mitgliedsländer, dem Rat der EU. Die Regierungen haben sich noch nicht auf eine gemeinsame Klimapolitik festgelegt. Einige osteuropäische Länder sind gegen schärfere Klimaziele, vor allem Polen und Tschechien treten auf die Bremse.

Helga Schmidt, Helga Schmidt, WDR Brüssel, 07.10.2020 15:44 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 07. Oktober 2020 um 13:30 Uhr und 15:12 Uhr.