Die designierte EU-Kommissionschefin von der Leyen

Zwei Anwärter blockiert Von der Leyens Wackelkandidaten wackeln

Stand: 26.09.2019 18:05 Uhr

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat 26 Kandidaten für ihr Team vorgeschlagen - einen aus jedem EU-Staat. Für zwei Anwärter ist womöglich schon vor den eigentlichen Anhörungen Schluss.

Es ist ein erster Dämpfer für die angehende Behördenchefin Ursula von der Leyen und eine erste Machtdemonstration des EU-Parlaments. Ab kommender Woche werden die Abgeordneten die 26 designierten Mitglieder der Von-der-Leyen-Kommission in den jeweiligen Fachausschüssen auf Herz und Nieren prüfen. Wie die zwölf Kandidatinnen und 14 Kandidaten in den rund dreistündigen Anhörungen abschneiden, entscheidet darüber, ob sie ihren Posten als EU-Kommissar am 1. November auch antreten dürfen.

Daniel Caspary, Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Parlament, formuliert es so: "Unser Anspruch muss sein, wenn wir einen Kommissar für persönlich nicht geeignet halten, dann darf der auch nicht Mitglied in der Kommission werden."

Anwärter aus Rumänien und Ungarn blockiert

Wenige Tage vor Beginn der Hearings hat der Rechtsausschuss des Europaparlaments nun zwei besonders umstrittene Bewerber quasi schon im Vorhinein gestoppt. Das Gremium empfahl, die rumänische Kommissars-Anwärterin Rovana Plumb wegen eines finanziellen Interessenkonflikts vorerst nicht zur Anhörung zuzulassen. Ihr ungarischer Kollege Laszlo Trocsanyi wurde wegen ähnlicher Bedenken ebenfalls suspendiert.

Ungarns Justizminister Trocsanyi

Ungarns Justizminister Trocsanyi

Die Befragungen der beiden waren ursprünglich für nächsten Dienstag beziehungsweise Mittwoch vorgesehen. Doch dazu, so der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund, wird es nun womöglich gar nicht mehr kommen. "Im Grunde hat der Rechtsausschuss heute gesagt, dass beide Kandidaten nicht geeignet sind, Kommissar zu sein - aufgrund von bestehenden Interessenkonflikten und den Vorwürfen die im Raum stehen, zu Korruption in der Vergangenheit."

Parteispende und Privatkredit verschwiegen

Der 59-jährigen Sozialdemokratin aus Rumänien wird unter anderem zur Last gelegt, eine Parteispende in Höhe von fast 170.000 Euro nicht angegeben zu haben, die der Finanzierung ihres Wahlkampfes dienen sollte. Außerdem verschwieg Plumb einen Privatkredit von rund 800.000 Euro für einen Immobilienkauf, der offenbar auf Betreiben der Regierung zustande kam. Der Geldgeber ist unbekannt.

Beim Ungarn Trocsanyi geht es um den Verdacht, seine berufliche Tätigkeit als Anwalt mit Regierungsaufgaben verquickt zu haben. Zwischen 2014 und 2018 war der 63-Jährige nicht nur Justizminister in der Regierung von Viktor Orban, sondern gleichzeitig Teilhaber einer Anwaltskanzlei, die auch staatliche Aufträge annahm.

Juncker-Kommission überrascht - und wortkarg

Die Chefsprecherin der noch amtierenden Juncker-Kommission zeigte sich von der Entwicklung überrascht. Sie wollte zu möglichen Konsequenzen aber noch nichts sagen. "Wir haben die Nachrichten gesehen. Aber hinsichtlich der geltenden Regeln des EU-Parlaments bedeutet das lediglich, dass das Verfahren ausgesetzt ist. Es heißt nicht zwangsläufig, dass automatisch ein neuer Kandidat vorgeschlagen werden muss."

Die beiden beschuldigten Ex-Minister, die im Team von der Leyens für das Verkehrsressort beziehungsweise für Erweiterungsfragen vorgesehen waren, wiesen die Vorwürfe zurück. Die Rumänin Plumb beteuerte, sie habe nichts falsch gemacht und respektiere das Gesetz. Aus dem EU-Parlament hieß es dagegen, solange der Rechtsausschuss nicht grünes Licht gebe, könnten die für kommende Woche geplanten Anhörungen der beiden nicht stattfinden.

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Von der Leyen bekommt ihre neue EU-Kommission womöglich nicht wie geplant durch. Die Wackelkandidaten wackeln.

Wie geht es jetzt weiter?

Unklar ist momentan noch, ob Plumb und Trocsanyi damit bereits vor Beginn der eigentlichen Hearings aus dem Rennen sind und die gewählte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sich um Ersatz bemühen muss. Der grüne EU-Abgeordnete Freund zweifelt allerdings nicht daran. "Ich denke, es läuft jetzt darauf hinaus, dass die beiden betroffenen Mitgliedsstaaten neue Kandidaten nominieren, die dann natürlich hier auch wieder das normale Verfahren - Anhörung und Prüfung - unterlaufen."

In zwei getrennten Briefen wollen die Vertreter des Rechtsausschusses von der Leyen nun "ihre Besorgnis" über die Bewerber darlegen. Möglich, dass die neue Kommissionschefin dann von sich aus tätig wird und die Bedenken an die entsprechenden Stellen in Bukarest und Budapest weiterleitet. Das Risiko, dass sich der Amtsantritt der Kommission durch die erneute Personalsuche erheblich verzögern könnte, wird in Brüssel als vergleichsweise gering eingeschätzt.

Suche nach einem eleganten Weg

Beobachter hielten es sogar für einen eleganten Weg, die beiden umstrittenen Bewerber ohne peinliche Anhörung loszuwerden. Auf diese Weise könnten alle Beteiligten ihr Gesicht wahren. Fest stand nämlich bereits zuvor, dass Plumb und Trocsanyi zu den etwa sechs Wackelkandidaten gehören, die sich ohnehin auf eine harte Befragung und ein mögliches Scheitern gefasst machen müssen. Weitere Namen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, sind der des Polen Wojciechowski, des Belgiers Reynders und der Französin Goulard.

Holger Romann, Holger Romann, BR Brüssel, 26.09.2019 17:05 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. September 2019 um 17:00 Uhr.