Treffen in Brüssel Tusk schickt Gipfel in die Verlängerung

Stand: 07.03.2016 15:30 Uhr

Streit um Formulierungen und neue Vorschläge der Türkei: Die Staats- und Regierungschefs müssen mehr Zeit in Brüssel einplanen. Gipfelchef Tusk verlängerte das Treffen bis in den Abend. Streit gab es über eine offizielle Anerkennung der Blockade der Balkanroute.

Bevor er richtig begonnen hat, geht der EU-Gipfel mit der Türkei auch schon in die Verlängerung. EU-Ratschef Donald Tusk lässt das Treffen in Büssel deutlich länger laufen als zunächst geplant. Es solle ein - bisher nicht angekündigtes - Abendessen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geben, berichteten Diplomaten in Brüssel.

Davutoglu habe "neue und ehrgeizige Ideen" vorgelegt. Dem Vernehmen nach geht es darum, dass Ankara mehr Flüchtlinge aus Griechenland zurücknehmen könnte als bisher angekündigt. Bei der Gipfelvorbereitung war lediglich davon die Rede gewesen, dass Wirtschaftsflüchtlinge übernommen werden sollen.

Ursprünglich sollten die Gespräche mit der Türkei bis 15 Uhr beendet sein. "Die Choreographie hat sich geändert", sagte ein EU-Vertreter nun. Nach dem Mittagessen mit Davutoglu würden die 28 EU-Staats- und Regierungschefs zu einer Arbeitssitzung zusammenkommen und die "neuen Ideen" aus Ankara diskutieren.

Feilschen um Formulierungen

Begonnen hatte der Gipfel mit neuem Streit über die Balkanroute. Dabei geht es um die Formulierung im Entwurf der Abschlusserklärung:

Der irreguläre Strom von Migranten auf der Westbalkanroute kommt zu Ende. Diese Route ist jetzt geschlossen.

Allerdings ist diese Formulierung im Kreis der 28 EU-Staaten umstritten, weil sie so interpretiert werden könnte, als würden alle EU-Staaten die Abriegelung der griechisch-mazedonischen Grenze gutheißen, an der mehr als 10.000 Flüchtlinge gestrandet sind. Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollen daher die Formulierung ändern.

Es könne nicht darum gehen, dass irgendwelche Grenzen geschlossen würden, sondern dass gemeinsam mit der Türkei eine Lösung gefunden werde, machte Merkel klar. Die Zahl der ankommenden Migranten müsse sich für alle EU-Staaten verringern, einschließlich Griechenland.

Unterstützung bekam sie von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: "Ich glaube nicht, dass das ein Gipfel ist, bei dem Türen geschlossen werden", sagte der SPD-Politiker vor Beginn der Beratungen.

Österreich für "klare Sprache"

Viele Länder setzen dagegen darauf, dass die Strecke über den Balkan geschlossen bleibt und die Flüchtlinge aus Griechenland nicht weiterkommen. Er sei für "eine klare Sprache", sagte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann. Wenn der Gipfel dazu auffordere, das "Durchwinken" zu stoppen, heiße das in seiner Sprache, "die Route ist geschlossen". Das setze das entscheidende Signal: "Schlepper sollen keine Chance haben."

Auch Frankreichs Staatschef François Hollande sagte zu der Balkanroute: "Sie ist geschlossen, damit wird Griechenland den wesentlichen Teil der Flüchtlinge nehmen." Die EU-Partner müssten Griechenland helfen "und verhindern, dass weiter Flüchtlinge in Griechenland ankommen, deswegen müssen wir mit der Türkei zusammenarbeiten."

Ende des "Durchwinkens"

Ist dieser Streit mehr als ein Feilschen um Formulierungen? Schon beim Flüchtlingsgipfel vor zwei Wochen hatten die Staats- und Regierungschefs erklärt, die Politik des "Durchwinkens" Hunderttausender Flüchtlinge von Griechenland nach Mitteleuropa müsse ein Ende haben, auch die Bundesregierung hatte vom "Ende der Politik des Durchwinkens" gesprochen. Nach den Dublin-Regeln müssen Asylverfahren in dem EU-Staat stattfinden, in dem die Flüchtlinge ankommen.

Faktisch bedeutet das "Ende des Durchwinkens" daher die Schließung der Balkanroute. Das EU-Land Griechenland wäre die Endstation, was es ja derzeit für Tausende auch ist. Nur wenige Menschen dürfen die Grenze nach Mazedonien passieren - und damit weiter entlang der Balkanroute Richtung West- und Nordeuropa.

Griechenland forderte einmal mehr Solidarität der EU-Partner ein. "Das ist nicht das Problem eines einzelnen Landes, sondern ein europäisches Problem", sagte Alexis Tsipras in Brüssel. Leider seien seit dem vergangenen EU-Gipfel Vereinbarungen getroffen worden, die nicht für alle gelten, sagt er mit Blick auf die Abschottungsmaßnahmen Österreichs und der Länder auf dem Westbalkan.

Er forderte erneut, dass Flüchtlinge innerhalb Europas schneller verteilt werden. Bislang sind nach Angaben der EU-Kommission erst rund 870 von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten verteilt worden.

Hohe Erwartungen an Türkei

Bei dem Gipfel soll es um weitere Hilfen für Griechenland gehen, aber auch und vor allem um den schon vor Monaten vereinbarten Aktionsplan mit der Türkei. Die Erwartungen an die Regierung in Ankara sind hoch: Sie soll dafür sorgen, dass weit weniger Flüchtlinge nach Europa kommen. Dafür soll die Türkei Hilfen in Milliardenhöhe für die Versorgung der Flüchtlinge im eigenen Land bekommen. Zudem wurden Ankara Fortschritte beim Aufnahmeprozess in die Staatengemeinschaft sowie Visaerleichterungen für türkische Staatsbürger in Aussicht gestellt.

Die Türkei ist das wichtigste Transitland für Flüchtlinge in der EU. Derzeit sollen knapp drei Millionen Syrer in der Türkei registriert sein.