Lloyd Austin, US-Verteidigungsminister (links) und Marc Milley, US-Generalstabschef.

Absturz einer US-Drohne "Wir wollen keinen bewaffneten Konflikt"

Stand: 16.03.2023 02:07 Uhr

Erstmals seit Monaten haben die Verteidigungsminister der USA und Russlands telefoniert. Anlass war der Absturz einer US-Drohne über dem Schwarzen Meer. Beide Seiten stellen das Ereignis sehr unterschiedlich dar.

Nach dem Zwischenfall mit einer US-Drohne und russischen Kampfjets über dem Schwarzen Meer haben die Verteidigungsminister beider Länder miteinander telefoniert. Pentagon-Chef Lloyd Austin sagte, er habe mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Schoigu über den Absturz der Aufklärungsdrohne gesprochen. "Wie ich immer wieder gesagt habe, ist es wichtig, dass große Mächte Vorbilder für Transparenz und Kommunikation sind", sagte Austin.

Es war - nach allem, was bekannt ist - das erste direkte Telefonat zwischen Schoigu und Austin seit Oktober. Die Initiative für das Telefonat sei von der US-Regierung ausgegangen, erklärte das russische Verteidigungsministerium.

Beschuldigungen auf beiden Seiten

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe seinem US-Kollegen gegenüber die vermehrten nachrichtendienstlichen Tätigkeiten Washingtons gegen Russland als eine Ursache für den Drohnenvorfall über dem Schwarzen Meer genannt.

Schoigu habe Austin gesagt, dass "verstärkte nachrichtendienstliche Tätigkeiten gegen die Interessen der Russischen Föderation" sowie die "Nichteinhaltung des Flugbeschränkungsgebiets" zu dem Vorfall geführt hätten, hieß es aus Moskau.

Das Verteidigungsministerium warnte überdies, dass es "verhältnismäßig" auf künftige "Provokationen" der USA reagieren werde. Russland sei "an einer solchen Entwicklung der Ereignisse nicht interessiert, wird aber weiterhin auf alle Provokationen verhältnismäßig reagieren", hieß es.

"Teil eines Musters von aggressivem Handeln"

Die Drohne vom Typ MQ-9 "Reaper" war nach US-Angaben in internationalem Luftraum von einem russischen Kampfflugzeug am Propeller beschädigt worden. Das Militär habe sie deshalb ins Meer stürzen lassen. Russland dagegen teilte mit, seine Maschinen hätten die Drohne nicht berührt und auch keine Waffen eingesetzt.

Austin sagte, der Zwischenfall sei "Teil eines Musters von aggressivem, riskantem und gefährlichem Handeln von russischen Piloten" im internationalen Luftraum. Russland müsse seine Militärflugzeuge auf "sichere und professionelle Weise" fliegen, forderte der Pentagon-Chef. Die USA wiederum würden ihre Flüge überall dort fortsetzen, "wo es das internationale Recht erlaubt".

USA haben "Videobeweise für all das"

US-Generalstabschef Mark Milley betonte, die Vereinigten Staaten wollten keine Eskalation. "Zwischenfälle kommen vor. Und wir wollen eindeutig keinen bewaffneten Konflikt mit Russland", sagte er in Washington. Milley reagierte damit auf die Frage, ob es sich bei dem Vorfall um einen kriegerischen Akt handele.

Die US-Regierung erwägt, Bildmaterial von dem Vorfall zu veröffentlichen, um für Aufklärung zu sorgen. "Wir haben Videobeweise für all das", betonte Milley.

Auf die Frage, ob die russischen Piloten mit Absicht gehandelt hätten, sagte er, das Abfangmanöver und das aggressive Handeln habe die russische Seite mit Absicht betrieben. Ob der Kampfjet die Drohne absichtlich getroffen habe, müsse sich noch zeigen. Milley kündigte auch ein Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Waleri Gerassimow an.

Abgestürzte US-Drohne verschärft Spannungen zwischen USA und Russland

Sarah Schmidt, ARD Washington, tagesthemen, tagesthemen, 15.03.2023 22:15 Uhr

Russland will abgestürzte Drohne bergen

Der Kreml gab die Schuld für den Absturz wiederum Washington. "Vielleicht hätten diejenigen, denen es nicht zusteht, dort nicht fliegen sollen, dann wäre alles sauber gewesen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow im russischen Staatsfernsehen.

Der Zwischenfall verstärkte auch international Sorgen um eine Eskalation des Kriegs in der Ukraine und ein Hineinziehen weiterer Staaten in den Konflikt. "Alle Vorfälle, die einen Zusammenstoß der zwei Supermächte, der zwei größten Atommächte provozieren, führen zu großen Risiken", kommentierte Russlands Außenminister Sergej Lawrow diese Befürchtungen ebenfalls im Staatsfernsehen.

Russland will nun versuchen, die Trümmer der Drohne aus dem Schwarzen Meer zu bergen. "Ich weiß nicht, ob wir sie bergen können oder nicht, aber wir müssen es gewiss tun und wir werden uns damit befassen", sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew. "Ich hoffe natürlich auf einen Erfolg." Der russische Auslandsgeheimdienstchef Sergej Naryschkin versicherte, Russland sei in der Lage, die Überreste der Drohne zu bergen.

Torben Börgers, ARD Washington, zur diplomatischen Lage nach Drohnen-Absturz

tagesschau24 21:30 Uhr

USA: "Wahrscheinlich nicht viel zu bergen"

Laut US-Generalstabschef Milley hat die abgestürzte Drohne vermutlich keinen Wert mehr. Es gebe "offen gesagt wahrscheinlich nicht viel zu bergen", sagte er. Die USA hätten mit Blick auf die von der Drohne gesammelten Informationen "wie in solchen Fällen üblich Maßnahmen der Schadensbegrenzung" ergriffen. Man sei sich sicher, dass was auch immer von Wert gewesen sei keinen Wert mehr habe.

Milley sagte weiter, die abgestürzte Drohne befinde sich wahrscheinlich in etwa 1200 bis 1500 Metern Tiefe, man kenne den Ort. Die Bergung sei in dieser Tiefe "für jeden sehr schwierig". Die USA hätten selbst keine Schiffe vor Ort. "Aber wir haben viele Verbündete und Freunde in der Region, die bei den Bergungsarbeiten mithelfen werden."

Nina Barth, Nina Barth, ARD Washington, 15.03.2023 22:59 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 15. März 2023 um 22:15 Uhr.