Jiang Zemin
Nachruf

Chinas Ex-Staatschef Jiang Zemin mit 96 Jahren gestorben

Stand: 30.11.2022 17:21 Uhr

Er stand für den wirtschaftlichen Aufstieg und die Öffnung Chinas - im Namen der Kommunistischen Partei und ohne Duldung einer Opposition. Nun ist der frühere Staatschef Jiang Zemin gestorben, wie Staatsmedien berichten.

Während eines Besuchs in den USA im Jahr 1997 trägt der damalige chinesische Staats- und Parteichef gut gelaunt einen Ausschnitt aus einer Peking-Oper vor. So erinnern sich viele an Jiang Zemin. Der Generalsekretär, der gerne singt, musiziert, plauscht - aber auch gerne streitet.

Im Jahr 2000 staucht er Hongkonger Journalistinnen und Journalisten zusammen. Der Clip wurde zur Internetsensation und Millionen Mal geklickt. Darin sagt Jiang Zemin etwa: "Ich mache mir wirklich Sorgen um euch! Ihr könnt nur eine Sache gut: Wohin ihr auch geht auf der ganzen Welt, rennt ihr immer schneller als westliche Journalisten, aber die Fragen, die ihr stellt, sind zu einfach und manchmal naiv."

Jiang Zemin sprach mehrere Fremdsprachen und war bekannt dafür, sich gerne mit Besucherinnen und Besuchern in ihrer Sprache auszutauschen.

1926 in Ostchina geboren und im vorkommunistischen Shanghai ausgebildet, studierte er Elektroingenieurswesen. Er soll während seines Studiums der Partei beigetreten sein. In den 1950er-Jahren lebte Jiang Zemin für einige Zeit in der Sowjetunion.

Kompromiss-Kandidat als KP-Generalsekretär

Jiang Zemin führte China ab den späten 1980er-Jahren. Ende Juni 1989 wurde der bisherige Bürgermeister von Shanghai Generalsekretär der allein herrschenden Kommunistischen Partei. Ein Kompromiss-Kandidat nach der blutigen Niederschlagung der Demokratie-Proteste rund um den Pekinger Tiananmen-Platz.

1993 wurde Jiang Zemin für zwei fünfjährige Amtszeiten Staatschef. Er schaffte es, China aus der internationalen Isolation nach den Ereignissen von 1989 zu holen, verbesserte die diplomatischen Beziehungen der Volksrepublik zur Außenwelt deutlich.

Das Hongkong-Versprechen: "ein Land, zwei Systeme"

Auch die Übergabe der britischen Kolonie Hongkong an die Volksrepublik 1997 fiel unter Jiang Zemins Zeit als Staats- und Parteichef. Bei der Übergabezeremonie versprach Jiang Zemin das ausgehandelte Prinzip "ein Land, zwei Systeme" mit einem hohen Grad an Autonomie werde prompt umgesetzt.

Heute ist Hongkongs politische Autonomie Geschichte. Unter Jiang Zemins Nach-Nachfolger Xi Jinping ist die chinesische Sonderverwaltungsregion weitgehend auf Linie der kommunistischen Zentralregierung gebracht worden. Zugesagte Freiheiten und Rechte für die Bürger wurden abgeschafft.

Wirtschaftliche Öffnung und Entwicklung des Landes

Unter Jiang Zemins Führung öffnete sich China weiter wirtschaftlich. So ist die Volksrepublik 2001 zur Welthandelsorganisation WTO beigetreten und erlebte in den anschließenden zwei Jahrzehnten ein enormes Wirtschaftswachstum hin zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Der unabhängige Politikwissenschaftler Wu Qiang erklärt: "Im Vergleich zu vielen anderen Entwicklungsländern oder Ländern, die demokratisiert wurden, wie die ehemalige Sowjetunion, können wir sehen, dass der Umbau von Chinas Wirtschaft effizienter und schneller war."

Der Lebensstandard der Menschen habe sich sehr schnell verbessert. Das hänge eng mit der Führung von Technologieexperten zusammen, glaubt Wu Qiang. Jiang Zemin hat seiner Meinung nach dazu einen enormen Beitrag geleistet.

Kontrolle durch Kommunistische Partei

Trotz wirtschaftlicher Öffnung hielt Jiang Zemin an der strengen politischen Kontrolle der Kommunistischen Partei im Land fest. Seine Regierung unterdrückte Oppositionelle und sperrte Menschenrechts- und Demokratieaktivisten ins Gefängnis. Unter seiner Führung wurde auch die spirituelle Falun-Gong- Bewegung verboten, die von der Kommunistischen Partei als Bedrohung ihres Machtanspruchs gesehen wird.

Auf dem 16. Parteitag im Jahr 2002 hielt Jiang Zemin seine letzte große Rede als Generalsekretär der Kommunistischen Partei, ihm folgte Hu Jintao als Parteichef nach. Dieser löste ihn wenige Monate später auch planmäßig als Staatschef ab.

Einfluss aus dem Hintergrund

Doch im Hintergrund machte Jiang Zemin viele Jahre weiter Politik und nahm Einfluss auf Personalentscheidungen. Der jetzige Staats- und Parteichef Xi Jinping begrenzte schließlich Jiang Zemins Einfluss, als er vor zehn Jahren an die Macht kam. Die beiden galten nicht als Freunde.

Während unter Jiang Zemin in vielen Bereichen Korruption blühte, ging Xi Jinping hart dagegen vor. Viele von Jiang Zemins Gefolgsleuten fielen der Anti-Korruptions-Kampagne von Xi Jinping zum Opfer. Die letzten Jahre war es dann still geworden um Jiang Zemin.

Benjamin Eyssel, Benjamin Eyssel, ARD Peking, 30.11.2022 16:37 Uhr