Infanteristen nehmen an der jährlichen Militärparade der japanischen Selbstverteidigungskräfte (JSDF) teil (Archivbild: 2013)

Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Japan rüstet auf

Stand: 16.12.2022 09:03 Uhr

Japan rüstet auf und richtet seine Sicherheitspolitik neu aus. Das Land will in der Region ein stärkerer Akteur werden. Das Kabinett hat hierfür einen drastischen Anstieg des Verteidigungsbudgets verabschiedet.

Es sind gewaltige Summen, die Japan künftig in seine Verteidigungs- und Sicherheitspolitik pumpen will. Umgerechnet bis zu 300 Milliarden Euro Ausgaben sind in den kommenden fünf Jahren vorgesehen.

Einer der zentralen Punkte der nationalen Verteidigungsstrategie ist die so genannte Rückschlagfähigkeit. Aus Sicht des Verteidigungsexperten Kiyoshi Sugawa von der Hatoyama-Stiftung, die den oppositionellen Demokraten nahesteht, bedeutet das: "So wie die Rückschlagfähigkeit künftig ausgelegt wird, kann Japan feindliches Territorium angreifen."

"Vorausgesetzt", so Sugawa, "man erkennt rechtzeitig, dass der Feind angreifen will". Doch genau das herauszufinden und im Vorfeld zu beweisen, sei schwer und Japan bisher dazu militärisch nicht in der Lage, so der Verteidigungsexperte.

Verfassungsrechtlich sieht er für einen solchen Fall keine Bedenken. Um besser gewappnet zu sein, sollen zudem satellitengestützte Systeme und die Cyberabwehr ausgebaut werden.

Mehr Arbeitskräfte, mehr Waffen

Für diesen Ausbau muss Japan seine Selbstverteidigungsstreitkräfte aus- und gegebenenfalls umbauen. Die Armee soll ein attraktiverer Arbeitgeber werden und stärker im bildungsorientierten Milieu um Nachwuchs werben. Gerade dort hätten die Streitkräfte jedoch eher einen schlechten Ruf, so Sugawa.

Und selbst wenn sich das Militär noch mehr Mühe geben würde, Nachwuchs zu gewinnen, dürfte dies auch wegen der schnell alternden Gesellschaft Japans schwierig werden. Es gibt einfach zu wenige junge Leute. Schon jetzt sind viele der Plätze bei den Selbstverteidigungsstreitkräften unbesetzt, die 250.000 Personen zählt.

Um sich künftig selbst besser auch präventiv verteidigen zu können, will Japan eigene Langstreckenraketen entwickeln. Zudem ist der Ankauf von 500 Tomahawk-Marschflugkörpern aus US-Produktion geplant.

Diese Waffen gelten als sehr präzise, können rund 1600 Kilometer weit fliegen und zwar so niedrig, dass sie kaum von einem Radarsystem erkannt werden können.

Widerstand auf kleinem Niveau

In den vergangenen Wochen gab es immer wieder kleinere, aber lautstarke Proteste gegen die Pläne der konservativ geführten Regierung. "Mit seiner Politik schürt Japan die Spannungen in der Region, statt zu deeskalieren. Es sollte mehr auf Diplomatie setzen", sagt eine Demonstrantin. "Erst kürzlich ist zwar wieder eine nordkoreanische Rakete über Japan geflogen, aber ob und was Japan da unternimmt, um diesen Konflikt zu entschärfen, ist nicht transparent. Stattdessen wird in den Medien immer nur Angst geschürt", beklagt sich eine andere Protestierende. 

Demonstrierende halten Plakate in der Nähe des Wohnsitzes des japanischen Regierungschef Kishida

Auch am Tag der Verkündung der neuen Verteidigungsstrategie versammeln sich Protestierende in der Nähe des Wohnsitzes von Regierungschef Kishida und demonstrieren gegen die Pläne der Regierung.

Die Medien als willige Helfer

Dem stimmt Kiyoshi Sugawa von der Hatoyama-Stiftung in Tokio zu. Der Wissenschaftler spricht von einer regelrechten Kriegskampagne der Medien: "Nachdem Russland im Februar die Ukraine angegriffen hat, begann hier eine Medienkampagne." Nach der Ukraine komme Taiwan, und dann sei Japan dran, so der Tenor.

Tatsächlich wird in diesen Wochen in japanischen Medien fast ausschließlich über die künftige Verteidigung, Aufrüstungspläne und Schutzübungen im Falle eines Angriffs berichtet. So wie erst kürzlich auf der japanischen Pazfikinsel Yonaguni, die 100 Kilometer entfernt von Taiwan liegt. Im Zuge der chinesischen Manöver rund um den Besuch der scheidenden Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi waren hier Raketen eingeschlagen.

Um seinen Bewohnerinnen und Bewohnern im Notfall schnell zur Hilfe eilen zu können, will Japan seine Bodentruppen auf der ebenfalls im Pazifik liegenden Insel Okinawa zudem erweitert.

China als neues Nordkorea

Der größte Feind ist offiziell Nordkorea, doch, so Verteidigungsexperte Sugawa: "Die latent größte Gefahr ist natürlich China. Im Rahmen seiner Verteidigungspolitik würde Japan das aber nicht offiziell sagen." Tatsächlich wird China in der Verteidigungsstrategie als "strategische Herausforderung" bezeichnet.

Japan braucht China als Wirtschaftspartner, einerseits. Andererseits schmiedet es immer mehr militärische Bündnisse mit seinen Nachbarländern wie zuletzt den Philippinen. Aber auch mit Südkorea rückt es nach Jahren der Eiszeit wieder enger zusammen.

Finanzierung offen

Wie Japan die massive Erhöhung seines Verteidigungshaushalts gegenfinanzieren will, ist noch nicht abschließend geklärt. Angedacht ist bisher eine Erhöhung der Körperschafts- und der Tabaksteuer. Zudem könnte die Sonderabgabe für den Wiederaufbau Fukushimas verlängert und auch für die Verteidigungskosten verwendet werden.

Nicht nur innerhalb des Kabinetts von Regierungschef Fumio Kishida gibt es darüber Streit, auch innerhalb der liberaldemokratischen Partei. Schon jetzt liegt die Verschuldung Japans zweieinhalb Mal über dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt.

Kathrin Erdmann, Kathrin Erdmann, ARD Tokio, 16.12.2022 09:14 Uhr