Ofer Cassif spricht im israelischen Parlament

Wegen Unterstützung des UN-Verfahrens Der Fast-Rauswurf von Ofer Cassif aus der Knesset

Stand: 22.02.2024 10:57 Uhr

Darf ein israelischer Abgeordneter sich hinter das Völkermord-Verfahren des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel stellen? In der Knesset wurde hitzig über einen Ausschluss debattiert.

Es ging hoch her als Amir Ohana, der Präsident der Knesset, das Ergebnis einer ungewöhnlichen Abstimmung verkündete. 85 von 120 Abgeordneten, und damit auch viele von der Opposition, hatten soeben dafür gestimmt, dass Ofer Cassif aus dem israelischen Parlament ausgeschlossen werden soll.

Zuvor hatte schon ein Ausschuss beraten - dort hatten auch Abgeordnete der Opposition heftige Kritik an Cassif geübt. Oded Forer beispielsweise von der Oppositionspartei Israel Beitenu erklärte, Cassif habe eine Grenze überschritten und sei zu einem Gehilfen der Feinde Israels und der Hamas geworden. Er handle, mitten im Krieg, in einer der schwersten Zeiten, gegen das Land.

Streit im israelischen Parlament zwischen den Abgeordneten Zvi Sukkot und Ofer Cassif (re.)

Die Debatte über Ofer Cassif im Parlament verlief erregt. Hier diskutiert er mit dem Abgeordneten Zvi Sukkot von der Partei Religiöser Zionismus (links).

Ein Pazifist im Parlament

Was war passiert? Cassif gehört zum linken Parteienbündnis Hadash, seine Fraktion in der Knesset besteht aus nur vier Mitgliedern, darunter Muslime, eine Christin und er als Jude. Dass er ein Linker ist, sieht man auch an seinem Büro: Da stehen Marx und Engels auf dem Tisch, an der Wand hängt ein Bild von Rosa Luxemburg.

Seine Stimme ist angeschlagen vom Streit der letzten Tage. Cassif ist gegen den Krieg im Gazastreifen und als Pazifist gerade eine ziemliche Ausnahme in Israel, einem Land, in dem seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober große Teile des öffentlichen Lebens dem Krieg untergeordnet sind.

Cassif spricht von den "mehr als 30.000 Menschen", die im Gazastreifen bisher getötet wurden. Mehr als 70 Prozent davon seien Zivilisten, sagt er. Die internationale Gemeinschaft und die Israelis wüssten das, aber sie täten nichts dagegen.

Er hält das für eine "Bankrotterklärung" der israelischen Gesellschaft und hat deshalb eine Petition unterschrieben, was ihm nun viel Ärger eingebracht hat. In ihr wird das Verfahren unterstützt, das derzeit vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen Israel wegen des Vorwurfs eines Völkermords im Gazastreifen läuft.

Ein Unterstützer der Hamas?

Seine Gegner, von denen Cassif ziemlich viele hat, meinen, dass er dadurch den Terror der Hamas unterstütze. Und obwohl Israels Generalstaatsanwaltschaft dazu Stellung genommen und erklärt hatte, es brauche "viele logische Sprünge", um zu dieser Position zu kommen, kam es zur Abstimmung über Cassifs Ausschluss aus dem Parlament.

Grundlage ist ein Gesetz von 2016, das regelt, dass Abgeordnete aus der Knesset ausgeschlossen werden können, wenn Sie zum Rassismus anstiften oder einen bewaffneten Kampf gegen Israel unterstützen. Cassif wäre der erste Abgeordnete, auf den das Gesetz angewendet wird.

Der Abgeordnete wehrt sich gegen den Vorwurf, er schade Israel mit dem Eintreten für das Verfahren in Den Haag. Denn schließlich würden dort Aussagen von Regierungsvertretern verhandelt, bei denen der Verdacht besteht, es werde zum Völkermord aufgerufen. Auch unterstütze er nicht die Hamas und verurteile deren Terror.

Stattdessen zitiert er den rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich, der 2015, lange bevor er ins Amt kam, auf Twitter die Hamas als "Asset", also Vermögenswert bezeichnet hatte. Auch Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe seinen Anteil daran, dass die Terrororganisation im Gazastreifen an der Macht bleiben konnte.

Die Abstimmung gegen ihn sieht er als einen Versuch, nicht nur ihn, sondern allgemein eine Stimme gegen den Krieg zum Schweigen zu bringen.

Hohe Hürden

Am Ende fehlten fünf Stimmen, denn die parlamentarische Hürde für den Ausschluss eines Abgeordneten sind hoch. Drei Viertel der Parlamentsmitglieder müssen es am Ende sein.

Und obwohl Cassif sehr viele Gegner hat: So viele waren es am Ende doch nicht. Der Fall zeigt aber, dass es in Israel einsam werden kann um Menschen, die sich gegen den Krieg im Gazastreifen aussprechen.

Jan-Christoph Kitzler, ARD Jerusalem, tagesschau, 22.02.2024 09:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Februar 2024 um 06:38 Uhr.