Eine iranische Schülerin liegt mit einer aufgesetzten Sauerstoffmaske im Krankenhausbett. (Aufnahme: 02.03.2023)

Vergiftete Schülerinnen Festnahmen in fünf iranischen Provinzen

Stand: 07.03.2023 15:33 Uhr

Im Zusammenhang mit den Vergiftungen von Schülerinnen im Iran sind erste Verdächtige festgenommen worden. Erst tags zuvor hatte Irans Geistliches Oberhaupt Khamenei den Tätern mit dem Tod gedroht. In mehreren Städten gab es Proteste gegen die neuen Vergiftungsfälle.

Nach einer Vielzahl von Vergiftungsfällen unter iranischen Schülerinnen hat die Regierung in Teheran erste Festnahmen gemeldet. Laut der Nachrichtenagentur Fars wurden Verdächtige in fünf Provinzen festgenommen. Fars berief sich auf den für die Sicherheitskräfte zuständigen Vize-Innenminister Madschid Mirahmadi. Er sprach im Staatsfernsehen von Festnahmen auf Grundlage von "Erkenntnissen der Geheimdienste". Zur Identität der Festgenommenen, den Umständen ihrer Festnahme und ihrer mutmaßlichen Rolle bei den Vergiftungen machte er keine Angaben.

Von bislang mehr als 2500 Vergiftungsfällen an Schulen berichten iranische Medien inzwischen. Betroffen sind demnach fast ausschließlich Mädchenschulen. Begonnen haben diese Vorfälle etwa im November.

Khamenei: "unverzeihliches Verbrechen"

Am Montag hatte sich Irans Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei erstmals öffentlich zu dem Fall geäußert und harte Strafen für die Verantwortlichen der Vergiftungswelle gefordert. Er bezeichnete sie als "unverzeihliches Verbrechen".

"Wenn die Vergiftung der Schülerinnen bewiesen wird, sollten die Hintermänner dieses Verbrechens mit der Todesstrafe bestraft werden, und es wird keine Amnestie für sie geben", sagte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. "Die Behörden müssen den Fall der vergifteten Schulkinder ernsthaft untersuchen", so Khamenei weiter.

Proteste in mehreren Provinzen

Angesichts immer neuer Vergiftungsfälle gingen Lehrerinnen und Lehrer in mehreren Städten auf die Straßen. Videos in den sozialen Medien zeigten Proteste in verschiedenen iranischen Provinzen.

Dabei warfen Angehörige den Behörden vor, nicht ausreichend gegen die Vergiftungen an den Mädchenschulen vorzugehen. Bilder und Videos zeigten Proteste unter anderem in den Millionenstädten Tabris und Maschhad, in Isfahan, Schiras, am Kaspischen Meer sowie in den Kurdenregionen.

Schon in den vergangenen Tagen hatte es Protestaktionen gegeben, unter anderem in der Hauptstadt Teheran. Zahlreiche Eltern gingen auf die Straße und forderten eine rasche Aufklärung der Fälle sowie Schutz vor weiteren Attacken.

Vergiftungsfälle an etwa 100 Schulen

Landesweit wurden Schülerinnen in Krankenhäusern behandelt. Ärzte sprechen von Gasvergiftungen. Irans Regierung geht nach eigenen Angaben von gezielten Angriffen aus. Eltern und Angehörige reagierten wütend auf die Behörden, werfen ihnen Versagen vor und geben ihnen eine Mitschuld. Regimegegner halten es auch für möglich, dass die Täter aus staatsnahen Kreisen oder den Revolutionsgarden stammen und junge gebildete Frauen einschüchtern wollen.

Iranische Medienberichte über entsprechende Vorfälle wurden von November bis Anfang März ausgewertet, so konnte deren Zahl in diesem Zeitraum auf mehr als 2500 beziffert werden. Vergiftungsfälle gab es demnach an etwa 100 Schulen. Offizielle Behördenzahlen zum Gesamtausmaß gibt es derzeit nicht. Beobachter gehen zudem von einer Dunkelziffer aus.

Einige Politiker hatten angedeutet, die Schülerinnen könnten Ziel religiöser Gruppen gewesen sein, die eine Schulbildung für Mädchen ablehnen. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi machte unlängst "ausländische Feinde" für die Anschläge verantwortlich. Raisi ließ offen, wen er damit meinte. Allerdings werden regelmäßig die USA und Israel als Feinde der Islamischen Republik bezeichnet.

Washington fordert Aufklärung

Das Weiße Haus in Washington forderte indes eine "glaubwürdige und unabhängige Untersuchung". Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Sprecherin Karine Jean-Pierre. Die Vergiftung von Schulmädchen im Iran sei "unerhört". "Frauen und Mädchen haben überall ein Grundrecht auf Bildung", sagte sie.

Das Mullah-Regime steht seit Ausbruch der Massenproteste unter enormem Druck. Der gewaltsame Tod der 22-jährigen Mahsa Amini hatte im September landesweit zu regimekritischen Demonstrationen geführt, die von den regierungstreuen Revolutionsgarden brutal niedergeschlagen wurden. Amnesty International zufolge wurden bei den Protesten zahlreiche Menschen getötet. Unter den Demonstrierenden waren auch viele Schülerinnen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. März 2023 um 14:00 Uhr.