Eine Demonstrantin hält ein Foto Mahsa Amini.

Iranische Sicherheitskräfte Aminis Vater offenbar vorübergehend festgenommen

Stand: 16.09.2023 11:26 Uhr

Sicherheitskräfte haben den Vater von Protestikone Amini an deren ersten Todestag offenbar festgenommen. Inzwischen ist er laut Menschenrechtlern aber wieder frei. Das iranische Regime spricht von einer Falschmeldung.

Im Iran ist der Vater von Jina Mahsa Amini laut Menschenrechtsaktivisten am ersten Todestag der Protestikone vorübergehend festgenommen worden. Amjad Amini habe gerade sein Haus verlassen, als ihn Einheiten der Revolutionsgarden (IRGC) festsetzten, berichtete die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw auf Telegram.

Katharina Willinger, ARD Istanbul, zur Lage im Iran am Jahrestag des Todes von Jina Mahsa Amini

tagesschau24, 16.09.2023 13:00 Uhr

Inzwischen sei Aminis Vater aber wieder auf freiem Fuß, berichtete die in Paris ansässige Menschenrechtsorganisation Kurdistan Human Rights Network auf X, ehemals Twitter. Die Sicherheitskräfte hätten ihn in sein Haus zurückgebracht, nachdem sie ihm gedroht hätten, den Todestag seiner Tochter nicht zu begehen, so die Organisation. Aminis Familie soll bereits in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden sein.

Irans Staatsmedien wiesen die Nachricht der Verhaftung dagegen als Falschmeldung zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete unter Berufung auf "informierte Kreise", dass Aminis Vater zu Hause sei.

Aminis Todesursache bis heute ungeklärt

Heute jährt sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt - letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus.

Aminis Eltern äußerten früh Zweifel an der staatlichen Darstellung, ihre Tochter sei infolge einer Erkrankung gestorben. Sie gaben lokalen und internationalen Medien zahlreiche Interviews und gerieten somit ins Fadenkreuz der Justiz. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.

Keine neuen Protestaufrufe

Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Kurdengebieten versucht der iranische Machtapparat neue Straßenproteste an Aminis Todestag zu verhindern. Augenzeugen berichteten am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Aminis Heimatort Saghes verlegt worden. Wie die Organisation Hengaw meldete, waren zahlreiche Sicherheitskräfte rund um das Haus von Aminis Familie postiert. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen. Von Hengaw veröffentlichte Fotos zeigen bewaffnete Männer in Kampfmontur in den Straßen der Stadt

Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Einsatzkräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Während Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran um ihre Sicherheit fürchten, sind in Deutschland und anderen Ländern Kundgebungen und Demos anlässlich des Jahrestags geplant.

Baerbock trifft Tochter von zum Tode verurteiltem Deutsch-Iraner

Das iranische Regime beschäftigt aktuell auch Außenministerin Annalena Baerbock. Sie traf sich in den USA mit der Tochter des im Iran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er wurde wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt. Befürchtet wird, dass die Todesstrafe tatsächlich vollstreckt wird. Seine Angehörigen bestreiten die Vorwürfe gegen Sharmahd vehement. Baerbock hatte die Verantwortlichen in Teheran aufgefordert, das "absolut inakzeptable" Urteil rückgängig zu machen.

Gesetzesverschärfungen im Iran ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini

Katharina Willinger, ARD Istanbul, tagesschau, 16.09.2023 17:00 Uhr

In dieser Woche hatte Baerbock erstmals seit anderthalb Jahren mit dem iranischen Außenminister Hussein Amirabdollahian telefoniert. Das Auswärtige Amt teilte mit, bei dem Austausch am Mittwoch sei es um eine Reihe von Themen gegangen, bei denen "unterschiedliche Haltungen" besprochen worden seien. Ein besonderer Fokus des Gesprächs der Außenministerin, die gerade die USA bereist, habe auf "deutschen Konsularfällen" gelegen - darunter werden Fälle wie der Sharmahds verstanden, in denen deutsche Staatsbürger im Ausland die Unterstützung der Bundesrepublik benötigen.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran sind angespannt. Nach den landesweiten Protesten im Herbst 2022 äußerte Baerbock offen Kritik am gewaltsamen Vorgehen der iranischen Staatsmacht gegen die Demonstranten. Zwischenzeitlich verschärften sich auch die Worte aus Teheran. Immer wieder warfen iranische Politiker der Bundesrepublik vor, sich in innere Angelegenheiten der Islamischen Republik einzumischen.

Thomas Bormann, ARD Istanbul, tagesschau, 16.09.2023 11:39 Uhr