
Rede zu Afghanistan Bidens Version hinterlässt Zweifel
Mantraartig versucht US-Präsident Biden, vom Erfolg des Truppenabzugs aus Afghanistan zu überzeugen. Doch seine Version der Dinge verfängt nicht wirklich - der Präsident steht weiter unter Druck.
"Meine lieben Landsleute, der Krieg in Afghanistan ist nun vorbei", sagte Joe Biden und erinnerte daran, dass er damit sein Wahlkampfversprechen eingelöst hat. Am Tag, nachdem die letzten US-Soldaten Kabul verlassen hatten, versuchte der Präsident erneut per Fernsehansprache, den Amerikanern seine Version der Ereignisse zu vermitteln. Aber sie sind womöglich schwer zu überzeugen.
Biden steht unter Druck. Sowohl die Republikaner als auch einige von seinen eigenen Demokraten glauben, dass der Truppenabzug überstürzt und chaotisch war. Und viele Amerikaner denken genauso. Eine neue Umfrage des Pew Research Center zeigt zwar, dass 54 Prozent der amerikanischen Erwachsenen den Abzug grundsätzlich für richtig halten. Aber nur 26 Prozent finden, dass die Regierung das gut oder gar sehr gut hinbekommen hat. Und das, obwohl Biden seit Wochen mit Ansprachen und Pressekonferenzen dagegenhält.
Argumentation überzeugt Kritiker nicht
Auch am Dienstag wiederholte er viele seiner Argumente - offenbar in der Hoffnung, dass sie so durchdringen und sich festsetzen könnten. Er habe, so Biden, im Prinzip nur zwei Möglichkeiten gehabt: den Abzug so fortzusetzen, wie ihn sein Vorgänger Donald Trump mit den Taliban vorbereitet habe, oder wieder mehr US-Truppen zurückzuholen, um Afghanistan auf unbestimmte Zeit zu stabilisieren. Eine Argumentation, die seine Kritiker nicht unbedingt für stimmig halten.
Am Ende habe er sich entschieden, "diesen endlosen Krieg nicht weiter verlängern zu wollen und diesen endlosen Ausstieg nicht weiter verlängern zu wollen", so formulierte es Biden am Dienstag. Und behauptete, dass der Abzug am Ende eines Krieges immer gefährlich ist - erst Recht, wenn vorher Tausende von Terroristen aus dem Gefängnis entlassen werden. Biden kritisierte damit erneut seinen Vorgänger Trump. Er hatte in dem Abkommen mit den Taliban ermöglicht, dass 5000 Kämpfer freigelassen werden.
Auch die letzten US-Bürger sollen herausgeholt werden
Biden wehrte sich auch gegen einen Vorwurf, der gerade von den Republikanern groß herausgestellt wird: dass nach dem Abzug noch 100 bis 200 US-Bürger in Afghanistan zurückgelassen worden seien. Für sie gebe es keine Frist, seine Regierung bleibe entschlossen, sie herauszuholen, wenn sie es denn wollen, so Biden. 90 Prozent der US-Bürger, die ausreisen wollten, hätten Afghanistan verlassen.
Zu Bidens Erzählung vom erfolgreichen Abzug aus Afghanistan gehört auch, die Leistung der USA und ihrer Soldatinnen und Soldaten zu preisen. 100.000 Afghanen auszufliegen, das habe und hätte keine Nation je geschafft.
Biden will aus Fehlern lernen
Noch jeder Präsident hat nach umstrittenen Kriegseinsätzen versprochen, aus den Fehlern zu lernen. Biden macht keine Ausnahme. Er wollte mit dem Abzug aus Afghanistan auch den Fehler korrigieren, mithilfe größerer Militäreinsätze andere Länder ändern zu wollen. Und für die Zukunft soll gelten, sich nur noch Missionen mit klaren, erreichbaren Zielen zu setzen und klar konzentriert zu bleiben "auf die fundamentalen, nationalen Sicherheitsinteressen der USA." Diese Interessen sieht Biden in Zukunft vor allem durch den Wettbewerb mit China, durch Russland, durch Cyber-Angriffe und nukleares Wettrüsten gefährdet.
Aber auch die schon bekannten Terrorgefahren will er nicht aus den Augen verlieren, versprach Biden in dringlichem Ton. "Die USA werden niemals ruhen, nicht vergeben und nicht vergessen", sagte er an die Adresse des sogenannten Islamischen Staates, bis die Verantwortlichen des jüngsten Anschlages zur Rechenschaft gezogen seien.
Was Biden nicht ansprach, ist ein Thema, das offenbar viele Amerikaner bewegt: Was denn nun mit den 100.000 Menschen aus Afghanistan passieren soll, die nun in die USA gekommen sind. Hilfsbereitschaft und Misstrauen, beide Reaktionen sind zu finden.