
Überfälle auf US-Güterzüge Wilder Westen 2.0
Im großen Stile beklauen Diebe derzeit Züge, die über Los Angeles fahren. Noch während der Fahrt knacken sie die Schlösser, räumen die Waren aus und hinterlassen Müllberge auf den Schienen. Die Polizei ist hilflos.
Im Schritttempo fährt ein Güterzug durch Downtown Los Angeles. Manche Türen der Überseecontainer darauf stehen sperrangelweit offen, man sieht, dass darin Mikrowellen und Kühlschränke transportiert werden - offenbar zu groß und zu schwer, um sie zu stehlen.
Der Zug fährt vorbei an Tausenden aufgerissenen Päckchen, die aus den Zügen entwendet wurden und nie ihren Weg zu ihren rechtmäßigen Bestellern gefunden haben. Diebe plündern seit Monaten im großen Stil die Container. Nach Informationen der Eisenbahngesellschaft Union Pacific hätten diese Diebstähle innerhalb eines Jahres um 160 Prozent zugenommen.
"Tags und nachts, den ganzen Tag lang geht das so. Ihnen ist egal, ob sich die Züge bewegen oder nicht", erzählt Adam Rodriguez, der für Union Pacific arbeitet dem Lokalfernsehen in Los Angeles.

Kein gängiger Umweltvandalismus: Die Hinterlassenschaften der Raubzüge ziehen sich entlang der Gleise über viele Kilometer durch Los Angeles. Bild: AFP
Aufspringen bei langsamem Tempo
Mitarbeiter der Eisenbahngesellschaft berichten, dass die Diebe auf die langsam fahrenden Züge im Stadtgebiet aufspringen, die Frachtcontainer mit Bolzenschneider aufbrechen. Die Pakete würden auf das Gleisbett geworfen und dann nach Inhalten durchsucht, die sich verwenden beziehungsweise auf dem Schwarzmarkt verkaufen lassen.
Der Müll im Gleisbett und entlang der Schienen erstreckt sich über Hunderte Meter, es sieht aus, als hätte ein Wirbelsturm gewütet. Unerhört sei das, urteilt Lupe Valdez von Union Pacific. Um die hundert Leute hätte eine private Sicherheitsfirma bereits an die Polizei überstellt, oft ohne große Konsequenzen: "Meine Mitarbeiter berichten, dass viele Leute zurückkommen und sagen: 'Ich bin raus und zurück, die können mir nichts anhaben.' Das ist irre!", sagt Valdez im Interview mit dem TV-Sender CNBC.
Die Pandemie habe die Armut erhöht und damit auch Diebstähle ansteigen lassen, heißt es aus dem Büro des zuständigen Staatsanwalts in Los Angeles County.

Aufgerissene Versandpakete aus überfallenen Lieferzügen liegen auf den Gleisen. Bild: picture alliance / newscom

Säckeweise tragen städtische Mitarbeiter den Diebes-Müll weg, und kommen doch nicht hinterher. Bild: EPA
Brückenkopf in die Pazifikregion
Los Angeles ist einer der wichtigsten Umschlagplätze der USA - allein an den Häfen Los Angeles und Long Beach kommen 40 Prozent aller Frachtgüter der Vereinigten Staaten an. Die Pakete und Päckchen stammen oft von großen Versandhäusern, wie beispielsweise Amazon, die ihren Kunden die Waren dann ersetzen müssen.
Die Eisenbahngesellschaft gibt an, dass sich der Gesamtschaden auf etwa fünf Millionen US-Dollar im Jahr belaufe. Mittlerweile würden zum Schutz vor Diebstählen Drohnen und Security-Leute eingesetzt. Union Pacific prüfe nun, ob man den Großraum Los Angeles auch weiträumig umfahren kann.