
Verhandlungen in Kanada Endspurt beim Weltnaturgipfel
Der Weltnaturgipfel in Kanada steht vor dem Abschluss. Davor zeigten sich Teilnehmer optimistisch im Hinblick auf ein Abkommen. Deutschland kündigte eine Initiative an, um einen zentralen Streit zu lösen.
Kurz vor dem Ende der Weltnaturkonferenz im kanadischen Montréal haben führende Vertreter der Mitgliedstaaten sich optimistisch hinsichtlich einer Einigung gezeigt. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unsere Ambitionen aufrechterhalten und einen Konsens erzielen können", sagte Chinas Umweltminister Huang Runqiu .
Auch der kanadische Umweltminister Steven Guilbeault äußerte sich optimistisch: "Wir haben enorme Fortschritte gemacht."
Ziel der Weltnaturkonferenz ist ein Abkommen zur Biodiversität, das ähnlich bedeutend ist wie das 2015 abgeschlossene Pariser Klimaabkommen. Die Zeit drängt: 70 Prozent der Ökosysteme der Welt sind geschädigt, größtenteils aufgrund menschlicher Aktivitäten. Mehr als eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Auf dem Spiel steht auch die wirtschaftliche Zukunft der Menschheit. Mehr als die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung hängt einer Berechnung des Weltwirtschaftsforums zufolge von der Natur ab.
Macron fordert ehrgeiziges Abkommen
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron appellierte kurz vor dem geplanten Ende der Konferenz an die Teilnehmer, ein ambitioniertes Abkommen zu schließen. "Meine Botschaft an unsere Partner lautet: Jetzt ist nicht die Zeit für kleine Entscheidungen, sondern für große! Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um ein möglichst ehrgeiziges Abkommen zu erreichen", erklärte er auf Twitter.
Beobachter hatten vor einem Scheitern der Konferenz gewarnt, weil insbesondere die Finanzierung des Artenschutzes in Entwicklungsländern strittig ist. Dabei geht es darum, ob die Industriestaaten ihre finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer auf ein Niveau erhöhen, das es letzteren ermöglicht, bis 2030 die 20 ehrgeizigen Umweltschutzziele zu erreichen, die in Montréal zur Debatte stehen. So sollen etwa 30 Prozent der Land- und Meeresfläche der Erde zu Schutzgebieten werden.
Deutschland und Kolumbien starten Initiative
Die Bundesregierung hatte zuletzt eine Initiative angekündigt, die zur Lösung des Streits beitragen soll. Mit ihr sollen Entwicklungsländer dabei unterstützt werden, ihre nationale Umweltpolitik an die globalen Umweltschutzziele anzupassen. Deutschland werde die gemeinsam mit Kolumbien und anderen Staaten auf den Weg gebrachte Partnerschaft mit 29 Millionen Euro unterstützen, erklärte das Bundesumweltministerium.
"Wir brauchen endlich die Trendwende beim Verlust der biologischen Vielfalt und beim weltweiten Artenaussterben. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren", sagte Umweltministerin Steffi Lemke. "Mit der heute ins Leben gerufenen Partnerschaft können wir unmittelbar nach Beschluss der neuen globalen Vereinbarung für die biologische Vielfalt mit der Umsetzung starten." Man wolle eine "echte Partnerschaft" etablieren, bei der alle relevanten Akteure einbezogen würden und Verantwortung übernähmen.
Brasilien, eines der diplomatischen Schwergewichte auf der Konferenz, fordert zusammen mit Indien, Indonesien und afrikanischen Staaten finanzielle Unterstützung in Höhe von mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr seitens der reicheren Länder. Das wäre das Zehnfache der derzeitigen Summe, die zur Stärkung der Biodiversität aus Industrie- in Entwicklungsländer fließt - und entspräche den zugesagten, aber noch nicht vollständig ausgezahlten 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Erderwärmung.
Umweltschützer warnen vor Scheitern
Umweltschutzorganisationen warnten vor einem Scheitern der Verhandlungen. Die Zeit für ein globales Abkommen, das "den Verlust unserer Arten und Lebensräume aufhält und umkehrt", verrinne "immer schneller", erklärte der Präsident des Naturschutzbunds Deutschland Jörg-Andreas Krüger.
Bereits am Freitag schlugen große globale Umweltverbände vor Journalisten Alarm: Die Zeit für ein Weltnaturabkommen werde knapp, ein Scheitern sei keine Option. Die Umweltminister müssten "jetzt aufeinander zugehen, um den Gesamterfolg der Verhandlungen nicht zu gefährden", sagte Krüger.
Um das neue Artenschutzabkommen ringen bei der Weltnaturkonferenz knapp 5000 Delegierte aus 193 Ländern. Die Zielvorgaben des Vorgängerabkommens waren weitgehend verfehlt worden. Die Verhandlungen in Montréal, die Mitte vergangener Woche begonnen hatten, laufen noch bis Montag.