
Munition für die Ukraine USA müssen Munitionsdepots plündern
Um der Ukraine die zugesagten Waffen und Munition zu liefern, greifen die USA auf Depots der US-Streitkräfte in Israel und Südkorea zurück. Auf konventionellen Krieg in diesem Ausmaß seien die USA und Europa nicht mehr vorbereitet, sagt ein Experte.
Diskutiert wird beim Thema Militärhilfe für die Ukraine bisher vor allem über Panzer, Raketenabwehrsysteme oder die Forderung nach Kampfflugzeugen. Kaum beachtet wurden dagegen die riesigen Mengen an Munition, die die Ukraine erhält. Allein die USA haben etwa mehr als eine Million Artilleriegranaten geliefert oder zugesagt. Doch die Amerikaner kommen immer mehr in Lieferschwierigkeiten. Die US-Streitkräfte müssen inzwischen auf eigene Munitionsdepots in Israel und Südkorea zurückgreifen.
"Ich denke, das wird zum Problem", sagt Max Bergmann vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien CSIS in Washington. "Es spiegelt die Tatsache, dass die USA und die Europäer sich in den vergangenen 20 Jahren nach der Terroranschlägen vom 11. September vor allem auf nicht-konventionelle Konflikte konzentriert haben, wie den Kampf gegen Terroristen oder Aufständische im Irak oder Afghanistan."
Plötzlich befänden sich die USA in einer Lage, in der sie mit der Ukraine ein Land unterstützen, das sich in Europa in einem konventionellen Krieg mit einer militärischen Großmacht befindet, so Bergmann.
Umstellung der Rüstungsindustrie braucht Jahre
Auch die US-Rüstungsindustrie hat sich zuletzt mehr auf neue High-Tech-Waffen als auf die Produktion konventioneller Munition konzentriert. Sie kann nun nicht einfach den Schalter wieder umlegen, sagt Verteidigungsexperte Bergmann. "Das ist ein Prozess, der gerade erst beginnt. Es entsteht eine Lücke, in der die USA auf ihre Depots zurückgreifen müssen. Es wird einige Jahre dauern, hier wieder aufzustocken."
Aber Europa müsse sich genauso steigern. Die europäischen Rüstungsfirmen müssten anfangen, neu zu produzieren. Bisher hätten sich europäische Rüstungsfirmen zu häufig nicht auf Notwendigkeiten in Europa selbst, sondern auf den weltweiten Export konzentriert. Es brauche eine Neuausrichtung, so Bergmann: "Offen gesagt, dazu sind Investitionen nötig. Dazu müssen Deutschland, die Europäische Union, andere europäische Länder nicht nur ihre Verteidigungsausgaben erhöhen, sondern sich auf das Richtige fokussieren."
Verhandlungen mit Israel und Südkorea
Damit der US-Munitionsnachschub nun zum Teil aus Depots in Israel und Südkorea kommen kann, musste Washington mit beiden Ländern Verhandlungen führen. Die dort gelagerte Munition ist zwar US-Eigentum, wird aber eigentlich für mögliche Konflikte im Nahen Osten und in Asien vorgehalten. Die US-Depots in beiden Ländern sollen so bald wie möglich wieder aufgefüllt werden.
Höhe der Militärhilfe ab 2024 fraglich
Im US-Kongress könnte der Nachschub für die Ukraine insgesamt bald auf Widerstände stoßen, warnt CSIS-Experte Bergmann. Seit Jahresbeginn haben im Abgeordnetenhaus die Republikaner die Mehrheit. Auch sie sind zwar mehrheitlich für die Unterstützung der Ukraine, doch die Höhe der Hilfe ist umstritten. Die Frage, ob nicht die Europäer mehr leisten müssen, wird lauter gestellt als bisher.
Für 2023 seien die meisten Hilfspakete verabschiedet, sagt Bergmann. Das Schlüsseljahr komme danach. "Die Herausforderung wird sein, wie es 2024 aussieht. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass dieser Kongress dann noch einmal im gleichen Umfang Hilfspakete beschließt." Die Last werde stärker bei Europa liegen, wenn die USA die Ukraine nicht mehr im gleichen Umfang unterstützen können wie 2022 und 2023.