Ein Mann in Schutzkleidung blickt auf die Ruinen eines Wohnhauses.

Nach Bränden auf Maui Kein Aloha für Touristen

Stand: 11.11.2023 12:00 Uhr

Vor drei Monaten gab es auf der Insel Maui die schwersten Brände in der Geschichte Hawaiis. 99 Menschen starben, der Wiederaufbau kommt nur langsam in Gang. Dass nun wieder Touristen auf die Insel dürfen, sehen viele dort kritisch.

Es riecht nach Lagerfeuer, der Geruch zieht unangenehm in die Nase. An die Stadt erinnern nur noch die Grundmauern von Gebäuden oder Kamine, die dem Feuer widerstanden haben. Pfützen aus silbernem Metall schlängeln sich von den Autos auf die Wege.

Das sei "Aluminum von den Autoreifen, man kann erahnen, wie heiß es hier war", erklären Vertreter der US-Umweltbehörde EPA, mit denen ich in einen Teil der zerstörten Stadt fahren kann, denn der ist normalerweise abgesperrt. Das Feuer wurde mehr als 600 Grad heiß. 

Einsatzkommandeurin Tara Fitzgerald erklärt, dass die Behörde alles aus den Trümmern und dem Boden hole, was giftig ist und sicherstelle, dass sich der gefährliche Staub nicht über die Insel verteilt: "Benzin, Asbest, Batterien zum Beispiel, die werden von der Insel gebracht. Außerdem wurden wir gebeten, einen Stabilisator auf die Erde aufzubringen, das hält die Asche kompakt zusammen, bis die US-Army kommt und sie entfernt."

"Viele haben alles verloren"

Welche Mengen der giftigen Stoffe ins Meer und in die Natur drumherum gelangt sind, ist noch unklar. Die Brandursache ist noch nicht eindeutig geklärt, es laufen noch Untersuchungen. Vieles deutet darauf hin, dass es umgefallene Stromleitungen waren, die Funken im trockenen Gras entzündet haben. Was die Katastrophe noch begünstigt hat: zu wenige Feuerwehrleute für die Brandbekämpfung und kaum Warnungen an die Bewohner, weder durch die Polizei noch durch das Alarmsystem der Insel. 

Drei Monate nach den Bränden kann man noch nicht vom Wiederaufbau Lahainas sprechen. Nur schrittweise dürfen Bewohner wieder in die Stadt, begleitet von Psychologen, wie Darryl Olveira von der Kreisverwaltung erklärt: "Viele von ihnen haben alles verloren. Aber indem sie zurückgehen, können sie damit abschließen. Wir hatten auch Erfolgsgeschichten, wenn zum Beispiel  Schmuck und Familienstücke wiedergefunden wurden, Dinge, die unersetzlich sind."

Eine Frau in Schutzkleidung geht durch Ruinen eines Wohnhauses.

Viele Insulaner haben bei den Bränden alles verloren. Der Wiederaufbau auf Maui dürfte noch Jahre dauern.

Petition gegen Rückkehr der Gäste

Etwa 7.000 Menschen leben derzeit noch in Hotels oder Ferienwohnungen. Für viele ist noch unklar, ob oder wie viel Geld sie von den Versicherungen bekommen. Und selbst wenn sie Geld bekommen, wird der Wiederaufbau teuer, denn allein die Baukosten sind extrem in die Höhe geschossen. 

Darüber macht sich auch U´i Kahue große Sorgen. Sie hat zusammen mit ihrem Partner ihr Haus in Lahaina verloren, außerdem ihre Gärtnerei. Beide arbeiten als Kulturschaffende, sie vermitteln hawaiianische Flechtkunst. Allein aus ihrer Nachbarschaft weiß sie von elf Menschen, die in den Flammen gestorben sind.

Dass nun seit Anfang November wieder offiziell Touristen in der Nähe von Lahaina begrüßt werden, findet Kahue nicht richtig. "Aloha" - das hawaiianische Wort für Liebe, Glück, Freundlichkeit, Nächstenliebe - "das haben wir füreinander. Für Besucher und Touristen Aloha zu haben, das ist noch zuviel verlangt."

Mehr als 70.000 Menschen haben eine Petition  gegen die frühzeitige Öffnung unterschrieben. Der Protest ist auch an den Straßen rund um Lahaina sichtbar. Einwohner haben Plakate aufgehängt: "Fresh out of Aloha" - also "kein Aloha mehr übrig" oder "respektiere die Anwohner". Vor der Stadt hängen weiße Kreuze an einem Zaun mit Bildern der Verstorbenen. Ein offizielles Mahnmal gibt es bis jetzt nicht.

Maui ist vom Tourismus abhängig

Ilihia Gionson von der Tourismusbehörde sagt, er wisse, wie schwer der Spagat sei zwischen Respekt gegenüber den Überlebenden und wirtschaftlichen Zwängen. Aber "die meisten Jobs auf Maui hängen am Tourismus". Und "je länger der Haupternährer arbeitslos ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Hawaii verlassen". Im September sei die Anzahl der Besucher um die Hälfte zurückgegangen, nachdem man sie gebeten hatte, wegen den Bränden fernzubleiben. Nun will man die Touristen wieder anlocken. 

Darryl Olveira von der Nothilfebehörde Mauis sagt, es müsse ein Umdenken stattfinden: "Wir wollen unsere Wirtschaft erweitern. Denn es gibt andere Dinge, die vielleicht besser mit der Umwelt oder der Kultur Hawaiis harmonieren."

Maui ist ein sprichwörtliches Paradies: türkisfarbenes Meer, grüne Wälder, eine wilde Vulkanlandschaft. Doch Einheimische können sich das Paradies kaum mehr leisten. Gleichzeitig sollen sie hier für die Besucher arbeiten, die sich in Luxushotels entspannen. Wie bezahlbarer Wohnraum garantiert werden kann, ist auch drei Monate nach den Bränden noch unklar.


 

Katharina Wilhelm, ARD Los Angeles, zzt. Maui, tagesschau, 11.11.2023 11:05 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. November 2023 um 06:16 Uhr.