Ibrahim Traoré und Wladimir Putin

Russlands Afrikakorps Putins neue Militärstrategie für Afrika

Stand: 18.02.2024 11:03 Uhr

Jahrelang kämpften in Afrika Söldner der Gruppe Wagner inoffiziell im Auftrag Russlands. Nach dem Tod von deren Chef Prigoschin baut der Kreml eine neue Truppe auf, die direkt dem Verteidigungsministerium untersteht: das "Afrikakorps".

Von Jean-Marie Magro, ARD-Studio Nordwestafrika

Drei Monate ist es her, da feierte die Gruppe Wagner einen ihrer größten Erfolge in Mali. Gemeinsam mit der malischen Armee befreite sie die Stadt Kidal im Norden des Landes. Kidal war seit 2012 nicht mehr von der malischen Hauptstadt Bamako aus kontrolliert worden, sondern erst von dschihadistische Terrormilizen, später von Rebellengruppen.

Einige Stunden lang wehte die Flagge der paramilitärischen Wagner-Gruppe über der Festung Kidals. Ein russischer Telegram-Kanal sprach seine Glückwünsche aus - ein Telegram-Kanal des Afrikakorps, wie die französische Zeitung Le Monde herausfand.

Ausgerechnet dieses Afrikakorps soll die Gruppe Wagner ablösen. Der Name ist angelehnt an das Afrikakorps des Dritten Reichs, das zwischen 1941 und 1943 in Tunesien, Libyen und Ägypten Krieg führte.

Afrikakorps direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt

Der Unterschied zur Gruppe Wagner ist, dass jene auf dem Papier ein privates Sicherheitsunternehmen war, geleitet von Jewgeni Prigoschin. Nach dessen gescheitertem Aufstand kam er jedoch mit dem Rest der Führungsriege von Wagner bei einem Flugzeugabsturz am 23. August ums Leben. Lange war unklar, wie es mit seiner Söldnertruppe in Afrika weitergehen würde.

Das Afrikakorps untersteht im Gegensatz zu Wagner dem russischen Verteidigungsministerium. Ein kapitaler Unterschied, sagt der Ex-KGB-Agent Sergei Schirnow dem ARD-Studio Nordwestafrika im Interview: "Denn diese Einheit ist eindeutig abhängig vom russischen Staat. Der russische Staat muss sich für alles verantworten, was dieses Afrikakorps unternimmt." Zum Beispiel bei Verhandlungen vor internationalen Gerichten.

Schirnow war als russischer Agent unter anderem in Frankreich und verschiedenen lateinamerikanischen Ländern im Einsatz. Er und Russlands Präsident Wladimir Putin lernten sich während ihrer Ausbildung kennen. 2001 setzte der heutige Bestseller-Autor sich nach Frankreich ab, weil er Staatsgeheimnisse im Internet veröffentlicht haben soll und strafrechtlich verfolgt wurde.

Doppelt so groß wie Wagner

20.000 Menschen sollen laut russischen Behörden für das Afrikakorps arbeiten. Die Wagner-Gruppe umfasste maximal 10.000, höchstwahrscheinlich weniger. Man werde vor allem in den Nachrichtendiensten geschulte Personen anwerben, meint Schirnow. Den ehemaligen Wagner-Söldnern wurden Arbeitsverträge vorgelegt.

Auch wenn wohl die meisten unterschrieben haben, brodele es in der Organisation, sagt Schirnow: "Die dienstälteren Wagner-Söldner haben Putin nicht wohlwollend in Erinnerung. Sie haben nicht das tragische Ende ihrer Führung rund um Prigoschin vergessen und nicht verdaut, wie der russische Staat Wagner aufgelöst hat. Das kann zu Spannungen führen."

Erste Mitglieder in Burkina Faso gelandet

Die ersten Mitglieder des Afrikakorps landeten Ende Januar in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos. 100 Personen seien hier stationiert, bald sollen es 300 sein. Über Telegram erklärte die Organisation, es werde den Übergangspräsidenten Ibrahim Traoré und die Bevölkerung vor terroristischen Angriffen schützen.

Auf die Frage, ob die Russen auch kämpfen würden, antwortete Traoré in einem Interview: "Nein, kein Russe ist auf unserem Boden im Kampfeinsatz. Aber wenn es die Lage erfordert, werden sie da sein. Das kann ich Ihnen versprechen." In der Sahelzone putschten sich zuletzt in mehreren Ländern Militärs an die Macht. Traoré ist einer davon, doch auch in Mali und Niger gab es Staatsstreiche.

Sergei Schirnow meint, Putin habe mit Figuren wie Traoré leichtes Spiel: "Putin drängt die afrikanischen Länder in mehr Spannungen." Denn mehr Konflikt mache es Putin einfacher, deren Diktatoren zu manipulieren. "In einigen Ländern waren es nicht mal die Generäle, die geputscht haben, sondern Kapitäne und Leutnants, die überhaupt keinen Plan haben, wie sie ein Land führen können."

Waffen, Gold und Diamanten

Während die Soldaten des ehemaligen Kolonialherrn Frankreich sowie Truppen der Vereinten Nationen abzogen, setzten sich Russland, aber auch andere Länder fest. Diese, sagt Traoré, hätten weniger Scheu davor, schwere Waffen zu liefern.

"Es gibt viele Länder - Russland, China, Türkei, Nordkorea - die machen überhaupt keine Beschränkungen. Der Iran liefert uns alles. Er schreibt uns eine Rechnung und wenn wir zahlen können, zahlen wir", so Traoré. "Aber ausgerechnet die Nationen, die hier Soldaten stationierten, unsere angeblichen Freunde, waren anders. Es gab sogar welche, die uns keine tödlichen Waffen liefern wollten."

Warum aber wendet Putin so viele Ressourcen für ein Afrikakorps auf, wenn er gleichzeitig Krieg in der Ukraine führt, wo Russland schon Hunderttausende Menschen verloren hat? Russland hat mit allen 54 Ländern des Kontinents zusammen lediglich einen Handelsumsatz von etwa 18 Milliarden Euro. Russland importiert kaum, sondern exportiert Produkte nach Afrika - vor allem Waffen. Was bieten Staaten wie Burkina Faso Russland außer Absatzmärkte für Waffen?

Traoré streitet dies zwar ab, doch Nachbarn wie Ghana und auch westliche Länder gehen davon aus, dass es um natürliche Ressourcen wie Goldminen und Diamanten geht. Schirnow erklärt, Putin sei davon überzeugt, dass es in Afrika noch Reichtümer gibt, die es zu plündern gilt. "Russland kann behaupten, was es möchte, es benimmt sich wie ein Raubtier auf dem Kontinent."

Neben Mali und Burkina Faso soll das Afrikakorps auch in Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und - in geringerem Maße - Niger operieren. Die Frage ist, ob Russland beweisen kann, dass es mehr sein kann als Waffenlieferant und Chaosstifter. Blickt man auf die Wirtschaftsdaten und die bisherigen Ergebnisse, kommen jedenfalls Zweifel auf.

Jean-Marie Magro, ARD Rabat, tagesschau, 16.02.2024 21:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Februar 2024 um 13:54 Uhr.