Militärs der ECOWAS-Staaten kommen bei einem Sondertreffen in Nigeria zur Lage nach dem Putsch in Niger zusammen.

Möglicher Militäreinsatz in Niger Macht die ECOWAS Ernst?

Stand: 02.08.2023 21:40 Uhr

Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS hat mit einem Militäreinsatz gedroht, sollten die Putschisten in Niger den gewählten Präsidenten nicht wieder einsetzen. Sind die Länder dazu in der Lage - oder bluffen sie?

Von Jean-Marie Magro, ARD Nordwestafrika

In Abuja, der Hauptstadt von Nigers Nachbarland Nigeria, beraten noch bis Freitag die Generalstabschefs der 15 Länder der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS. Ihr Thema ist eine mögliche militärische Intervention in Niger, um den Putsch des Militärs rückgängig zu machen.

Karim Yahiaoui ist beim französischen Nachrichtenkanal France24 der Spezialist für Westafrika. Er stellt die Frage, die zurzeit viele beschäftigt, wenn sie nach Niger schauen: Würden Fallschirmspringer über der Hauptstadt Niamey abspringen? "Bisher ist das schwer vorstellbar", sagt Yahiaoui. "Man will verhandeln, aber die ECOWAS steht mit dem Rücken zur Wand. Denn wenn die Putschisten das Ultimatum verstreichen lassen, steht die Glaubwürdigkeit der Organisation auf dem Spiel."

Karte: Niger, Mali, Burkina Faso

ECOWAS will Stärke und Härte demonstrieren

Die ECOWAS besteht aus 15 Ländern, acht davon haben mit dem CFA-Franc auch eine gemeinsame Währung. Außerhalb der Region war die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft bislang vielen kein Begriff.

Am Sonntag, vier Tage nach dem Putsch in Niger, änderte sich das, als der Chef der ECOWAS-Kommission Omar Touray aus Gambia sagte: "Wenn unseren Forderungen nicht innerhalb einer Woche nachgekommen wird, werden wir alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die verfassungsmäßige Ordnung in der Republik Niger wiederherzustellen. Solche Maßnahmen können Gebrauch von Gewalt beinhalten."

Militärputsche wie der in Niger sind in Westafrika nichts Ungewöhnliches. Allein in den vergangenen drei Jahren gab es fünf: einen in Guinea und jeweils zwei in Mali und Burkina Faso. In keinem der Fälle hatte es aber harsche Reaktionen wie dieses Mal von der ECOWAS gegeben: weitreichende Wirtschaftssanktionen, Grenzschließungen, aber vor allem eben die Androhung von Gewalt.

Vor Kurzem hat der frisch gewählte Präsident Nigerias, Bola Tinubu, den Vorsitz der ECOWAS übernommen. Er trat mit einem Versprechen an: keine Putsche mehr vor seiner Haustür zu dulden.

ECOWAS baut wohl auf westliche Hilfe

Anna Schmauder, Expertin für Sicherheit in der Sahelregion, sieht darin den Hintergrund für das harte Vorgehen: "Der Putsch, der jetzt vom selbsternannten Machthaber in Niamey angeführt wurde, und auch die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum sind sowas wie ein erster Testball für den ECOWAS-Vorsitzenden."

Und zwar einer mit maximaler Drohkulisse: Während der Beratungen der Generalstabschefs in Nigeria fliegen Frankreich und Italien ihre Staatsbürger und internationale Zivilisten aus Niger aus. Schmauder sagt, dies seien Signale der westlichen Staaten, "die die Glaubwürdigkeit eines möglichen Rückgriffs von ECOWAS auf eine militärische Aktion nochmal stärken." Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft baue auch darauf, dass ihr hartes Vorgehen von westlichen Staaten unterstützt werde, sagt Schmauder.

Juntas halten zusammen

In anderen Ländern, wo das Militär bereits putschte, ruft die Linie der ECOWAS wiederum Widerstand hervor. Mali und Burkina Faso erklärten am Montagabend gemeinsam, dass eine militärische Intervention in Niger einer Kriegserklärung an beide Länder gleichkäme.

Leere Drohung oder Ernst?

Bluffen die ECOWAS-Staaten also oder riskieren sie im Zweifel wirklich eine militärische Auseinandersetzung? "Klar ist, dass diese Drohung nicht ohne Präzedenzfall ist, weil es bereits 2017 eine regionale Interventionsgruppe gab. Damals von Gambia, um den dortigen ehemaligen Präsidenten abzusetzen, nachdem der sich geweigert hatte, die Macht abzutreten", sagt Schmauder. Ex-Präsident Jammeh, der den Weg für seinen Nachfolger nicht freimachen wollte, zog sich schließlich nach zwei Tagen zurück.

Im aktuellen Konflikt wurde schon vor Tagen von Truppenbewegungen nigerianischer Soldaten Richtung der Grenze zu Niger berichtet. Aus nigerianischen Sicherheitskreisen verlautete, dass selbst wenn Niger, Mali und Burkina Faso ihre Truppen zusammenlegten, sie nicht an die Stärke des nigerianischen Heeres herankämen. Aber natürlich bleibe das Hauptziel eine Verhandlungslösung. Auch deshalb hat die ECOWAS eine Delegation in die nigrische Hauptstadt Niamey geschickt.

Jean-Marie Magro, ARD Rabat, tagesschau, 02.08.2023 20:22 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 02. August 2023 um 16:49 Uhr.