
Nach Ansturm auf Exklave Melilla Schwere Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte
Beim jüngsten Ansturm auf die spanische Exklave Melilla sind mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen. Menschenrechtsorganisationen übten scharfe Kritik an den Sicherheitskräften. Die spanische Regierung kritisierte die versuchten Grenzübertritte.
Nach einer Massenpanik unter Migranten auf dem Weg in die spanische Exklave Melilla ist die Zahl der Todesopfer auf mindestens 23 gestiegen. Nichtregierungsorganisationen gehen sogar von mindestens 27 Toten aus. Das marokkanische Innenministerium hatte zunächst über fünf Todesopfer berichtet.
Bei dem Zwischenfall sollen zudem 140 Sicherheitskräfte und 76 Zivilisten verletzt worden sein. Viele der Opfer sollen zu Tode gequetscht worden oder von dem rund sechs Meter hohen Zaun gefallen sein.
Schwere Vorwürfe gegen Sicherheitsbehörden
Menschenrechtsorganisationen in Spanien und Marokko riefen dazu auf, die genauen Umstände der Todesfälle zu untersuchen und erhoben schwere Vorwürfe gehen die Sicherheitskräfte. Die marokkanischen Behörden hätten "ungerechtfertigte Gewalt" eingesetzt und Migranten "misshandelt", sagte der Leiter der Marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte (AMDH) in der Stadt Nador, Amin Abidar, der Nachrichtenagentur dpa.
In den sozialen Medien wurden Videoaufnahmen verbreitet, die offenbar Migranten auf dem Boden zeigten, viele von ihnen regungslos und einige blutend, während marokkanische Sicherheitskräfte über ihnen stehen. "Sie wurden stundenlang ohne Hilfe zurückgelassen, was die Zahl der Todesopfer erhöhte", erklärte die Organisation auf Twitter. Sie forderte eine umfassende Untersuchung.
Eine Aufnahme zeigt, wie ein Uniformierter mit einem Schlagstock auf einen Mann einschlägt, der am Boden liegt. Die Aufnahmen seien von Aktivisten und Sympathisanten gemacht worden, erklärte Abidar.
Das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR sowie die Internationale Organisation für Migration riefen die Sicherheitskräfte dazu auf, der Sicherheit von Migranten und Geflüchteten oberste Priorität zu geben, übermäßige Gewaltanwendung zu unterlassen und Menschenrechte zu achten
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez verurteilte die versuchten Grenzübertritte als Angriff auf die territoriale Integrität des Landes. "Wenn es jemanden gibt, der für all das verantwortlich ist, was sich an dieser Grenze abgespielt zu haben scheint, dann ist es die Menschenhändler-Mafia", sagte Sánchez. "Es war ein gewaltsamer Überfall, der von der Menschenhändler-Mafia organisiert wurde". Die spanischen Behörden teilten mit, 49 Polizeibeamte hätten leichte Verletzungen erlitten.
Mehr als 130 Migranten überqueren Grenze
Insgesamt hatten am Freitag 133 Migranten die Grenze zwischen der marokkanischen Stadt Nador und Melilla überquert. Sie hatten spanischen Angaben zufolge versucht , das Gebiet der EU zu erreichen. Die meisten wurden von spanischen Polizisten auf der einen und marokkanischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite der sechs Meter hohen Absperrung gestoppt.
Marokko war 1956 von Frankreich und Spanien unabhängig geworden. Dennoch hält Spanien dort weiterhin zwei Exklaven: Melilla und das 250 Kilometer weiter westlich gelegene Ceuta an der Meerenge von Gibraltar. In der Nähe warten oft Zehntausende Afrikaner, vorwiegend aus Ländern südlich der Sahara auf eine Chance, in die EU zu gelangen.