Windpark und großflächige Photovoltaik Anlage.
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Rohstoffe für die Energiewende So abhängig ist Deutschland von China und Co.

Stand: 28.01.2024 15:40 Uhr

Ob für Windräder, Soldaranlagen oder E-Autos: Deutschland braucht metallische Rohstoffe, um die Energiewende zu stemmen. Diese werden zum Großteil importiert - eine gefährliche Abhängigkeit.

Von Klaus Weidmann, SWR

Noch nie wurde in Deutschland so viel Ökostrom erzeugt wie im vergangenen Jahr. Nach Angaben des Freiburger Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) war die Windkraft die mit Abstand wichtigste Stromquelle im Jahr 2023, gefolgt von Photovoltaik, Biomasse und Wasserkraft. Zusammen lieferten sie 59,6 Prozent des erzeugten Strommixes. Ein Rekord - und auch ein Erfolg der Bundesregierung. Doch es drängen sich Fragen auf: Wie viele Rohstoffe benötigt "grüner Strom", woher kommen sie und werden die Vorräte irgendwann aufgebraucht sein?

Damit sich in Niedersachsen - das Bundesland mit den meisten Windenergieanlagen - die Rotorblätter drehen, muss nicht nur viel Zement hergestellt werden. Es braucht auch Stahl, Aluminium und die sogenannten Seltenen Erden. Dazu gehören 17 Metalle, die unter anderem für die Herstellung von Magneten für Elektromotoren oder Generatoren von Windturbinen gebraucht werden. Sie sorgen für die nötige Effizienz. Auch für Katalysatoren, Batterien und die LED-Lampen wird der Rohstoff benötigt. Das Problem: 89 Prozent der Seltenen Erden bezieht Deutschland aus China - und macht sich damit energie- und außenpolitisch extrem abhängig.

Rohstoffe für die Energiewende - Abhängigkeiten und Nachhaltigkeit

Klaus Weidmann, SWR, KlimaZeit, 19.01.2024 19:30 Uhr

Gallium und Germanium aus China für Solarstrom

Noch drastischer sieht es bei der Sonnenenergie aus: Für die Herstellung von Solarzellen werden unter anderem die Rohstoffe Gallium, Germanium und Indium gebraucht. Auch diese Metalle kommen fast ausschließlich aus dem Reich der Mitte. "China hat uns in der Hand", sagt Jens Gutzmer, Direktor des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie.

In der Tat nutzte China seine Marktmacht bei Rohstoffen bereits aus: Im Jahr 2010 hat es den Export von Seltenen Erden vorübergehend eingestellt, im Sommer vergangenen Jahres setzte es die Ausfuhr von Gallium und Germanium aus - im Handelskrieg mit den USA um die hochwertigen Mikrochips. Davon war auch Deutschlands Solarindustrie betroffen. "Deutschland hat sich auf einen freien Weltmarkt verlassen und ging davon aus, dass Rohstoffe zu einem billigen Preis in jeder beliebigen Menge stets zur Verfügung stehen", so Gutzmer.

Rohstoffabbau von "Seltenen Erden" in China

Rohstoffabbau von Seltenen Erden in China. Das Land nutzt seine Marktmacht schon jetzt aus.

Palladium und Vanadium aus Russland

Das gilt auch für Palladium. Das Edelmetall wurde früher unter anderem für den Weißgoldschmuck, die Zahnmedizin, in der Elektronik und für Auspuffanlagen verwendet. Nun wird es vor allem in Notebooks und Smartphones verbaut sowie in Stromspeicher und -netze für die Erneuerbaren Energien und in E-Autos. Das Edelmetall ist für Deutschlands Energiewende derart wichtig, dass die Bundesregierung keine Importbeschränkungen für Palladium aus Russland verhängt hat.

"Im Oktober 2023 kamen 480 Kilogramm Palladium aus Russland nach Deutschland, in Form von Pulver und anderen Erzeugnissen", so der Rohstoff-Experte des WWF, Tobias Kind-Rieper. Auf welchen Wegen Palladium nach Deutschland kam und welche Firmen involviert waren, ist nicht bekannt. Kind-Rieper ist sich sicher: "Es gibt eine extreme Abhängigkeit von Russland." Nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur DERA kommen noch immer rund 44 Prozent des Welthandels mit Palladium aus Russland, 32 Prozent aus Südafrika.

Genauso wichtig ist Vanadium. Es wird unter anderem in der Stahlindustrie eingesetzt, aber auch für E-Autos gebraucht. Unverzichtbar ist Vanadium für die gigantischen Stromspeicher der erneuerbaren Energien, die Redox-Flow-Batterien. Sie sorgen für Energiesicherheit auch bei sehr hohem Stromverbrauch und für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung. 98 Prozent des Weltmarktes für Vanadium entfallen auf drei Länder: China, Russland und Südafrika.

Kobalt aus dem Kongo

Gerade für den Bau von E-Autos werden viele metallische Rohstoffe benötigt. Für die Lithium-Ionen-Batterien spielt Kobalt eine entscheidende Rolle. Es steckt in Magneten, Legierungen und Katalysatoren. Das Metall ist vor allem unter dem Meeresgrund des Pazifischen und Indischen Ozean in sogenannten Manganknollen gefunden worden. Aber der Tiefseebergbau ist teuer und aufwändig.

Deshalb importiert Deutschland Kobalt vor allem aus der Demokratischen Republik Kongo. Große Bergbauunternehmen sind seit langem im Geschäft. Mit dem Lieferkettengesetz sind sie verpflichtet, internationale soziale und ökologische Standards zu erfüllen. Etwa ein Drittel des kongolesischen Bergbaus befindet sich aber in den Händen von kleinen und kleinsten Bergwerksunternehmen, die sich nicht an internationales Recht halten. Schätzungsweise arbeiten bis zu drei Millionen Kongolesen, darunter auch Kinder, in den Steinbrüchen und klopfen das Metall mit Hammer und Meißel aus dem Gestein.

Der Ausweg: Heimischer Bergbau und Recycling

Die Nachfrage nach Erneuerbaren Energien wird weiter steigen. Experten fordern daher schon lange eine verantwortungsvolle Politik bei der Rohstoffbeschaffung für "grünen Strom". Zum einen müsste der heimische Rohstoff-Abbau forciert werden. In Schweden sind vor einem Jahr Europas größte Vorkommen an Seltenen Erden entdeckt worden. Sie blieben bislang ungenutzt. Im Oberrheingraben zwischen Basel und Frankfurt konnten großen Mengen an Lithium gefördert werden. Doch es gibt Bedenken. Die Bohrungen könnten Erdbeben auslösen. Bürgerinitiativen wehren sich - mit Erfolg.

Die gute Nachricht: Mineralische Rohstoffe für Erneuerbare Energien lassen sich zum großen Teil recyclen. "Sie werden nicht verbraucht. Sie werden gebraucht", sagt Geologe Gutzmer. Doch bislang würde sich das nicht rechnen. Der Weltmarktpreis für Rohstoffe sei noch immer viel zu niedrig.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die KlimaZeit am 19. Januar 2024 um 19:30 Uhr.