Der Borkenkäfer hat seine Spuren hinterlassen im Holz, das auf einer Waldfläche zwischen Stausee Hohenfelden und Riechheimer Berg liegt.

Baumschädling Droht ein weiteres Borkenkäfer-Jahr?

Stand: 22.06.2023 06:29 Uhr

In den vergangenen Jahren hat der Borkenkäfer Milliardenschäden angerichtet. Wegen des kalten und nassen Frühjahrs gab es Hoffnung, dass die Schäden diesmal geringer ausfallen. Doch offenbar vermehren sich die Tiere wieder rasant.

Die Warnung der Waldbesitzervereinigung im bayerischen Regen ist eindeutig: Der Befall mit Borkenkäfern in der Region sei in den letzten Wochen relativ unerwartet "von Null auf Hundert" gestiegen, erklärte Geschäftsführer Markus Wirsich gegenüber dem BR. Sogar große vitale Fichten und Bäume in schattigen Nordlagen seien betroffen - sonst eher die Ausnahme.

Mehrere Bundesländer betroffen

Auch in anderen Bundesländern rechnen Fachleute mit einem erneut starken Schädlingsbefall, auch wenn das Ausmaß je nach Region sehr unterschiedlich ausfallen kann. "Aufgrund der hohen Populationsdichte aus dem Vorjahr mit vielerorts drei Käfergenerationen ist in diesem Jahr erneut mit einem stark erhöhten Befallsrisiko zu rechnen", schreibt etwa die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in ihrem Borkenkäfer-Newsletter.

Ein Borkenkäfer krabbelt auf der Rinde einer Fichte.

Es gibt über 100 Arten von Borkenkäfern. Den Fichten machen vor allem der Buchdrucker und der Kupferstecher Probleme.

Und in Thüringen sieht es nicht besser aus. Der von Januar bis März festgestellte Befall von Fichten sei extrem hoch, erklärte die Landesforstanstalt. "Das erste warme 'Frühlingswochenende' Ende April lies den Käfer deshalb umso massiver fliegen", erklärte der ThüringenForst-Vorstand. In mittleren Höhenlagen fänden sich in den Borkenkäferfallen bereits vierstellige Fangzahlen. Den Waldbesitzenden mit höheren Fichtenanteilen wird dringend empfohlen, in den nächsten Wochen ihre Bestände auf Käferbefall zu kontrollieren.

In Niedersachsen bereiten sich die Landesforste auf den massenhaften Borkenkäferbefall vor. "In den noch grünen Harzer Forstrevieren sind die Alarmstufen auf Rot geschaltet und wir fahren die Bekämpfungsmaßnahmen hoch", berichtet eine junge Försterin in einer Pressemitteilung. Und das aus gutem Grund: Im niedersächsischen Harz hat insbesondere der Buchdrucker in den vergangenen sechs Jahren rund 80 Prozent der Fichtenwälder zerstört.

Enormer wirtschaftlicher Schaden

Der Borkenkäfer - genauer der Buchdrucker und der Kupferstecher - bereiten den Waldbewirtschaftenden in ganz Deutschland große Sorgen. Durch die Trockenheit und Hitze der vergangenen Jahre hat er sich massenhaft vermehrt. "Wo es vor 70 Jahren noch maximal 1,5 Generationen pro Jahr gab, beobachten wir heute drei", sagt Andreas Hahn von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.

Das macht sich auch wirtschaftlich bemerkbar. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2022 etwa 45 Millionen Kubikmeter Schadholz geschlagen. Über 80 Prozent davon ging auf Schäden durch Insekten wie den Borkenkäfer zurück. 2012 waren es nur fünf Millionen Kubikmeter - und davon gingen nur rund 20 Prozent auf das Konto von Insekten.

Für viele Waldbesitzer hat das erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge. So erklärte Deutschen Forstwirtschaftsrat 2022, durch Dürre und Borkenkäferbefall seien in den drei Jahren zuvor Schäden in Höhe von 12,5 Milliarden Euro entstanden.

Käfer überwintern

Da dieses Frühjahr etwas nasser und kälter war als die vorangegangenen, hatten viele Forstbesitzer und Experten Hoffnungen, dass auch der Schädlingsbefall dadurch reduziert würde. "Vor einem Monat hätte ich für Süddeutschland ein schwaches Borkenkäfer-Jahr prognostiziert", sagt etwa Peter Biedermann, Forstentomologe an der Uni Freiburg. Doch nun habe sich das Bild geändert, "da es fast einen Monat lang praktisch keinen Regen gab und wieder alles austrocknet". Viel vom "Puffer des Frühjahrs" sei bereits wieder verbraucht. Fehle der Regen, sei die Abwehr der Bäume geschwächt - "und die Käfer haben leichtes Spiel."

Auch Hahn glaubt nicht, dass das Frühjahr die Zahl Insekten nennenswert reduziert hat. "Die Käfer, die jetzt umherfliegen, sind noch die Altkäfer aus dem letzten Jahr. Die haben in den Bäumen überwintert und schwärmen seit etwa Anfang Mai aus, um ihre Eier abzulegen." Da es nun aber wieder sehr warm sei, dürfte die diesjährige Käferpopulation auch wieder sehr zahlreich ausfallen.

Bäume etwas widerstandsfähiger

Zwei kleine Vorteile gebe es aber doch, so der Forstexperte. Zum einen seien die Bäume durch das Wasser hoffentlich etwas vitaler und widerstandsfähiger. Sie seien also eher in der Lage, Harz zu produzieren - eine wichtige Abwehrwaffe gegen Käferbefall. Und die Käfer seien erneut etwas später unterwegs als in den Jahren 2018 bis 2020. "Deshalb gibt es Hoffnung, dass sich eine dritte Generation nicht mehr fertig entwickeln kann." Je wärmer es sei, desto schneller liefen die Zyklen ab. "Wie der Juli und August aber werden, lässt sich natürlich jetzt noch nicht vorhersagen. Da müssen wir schauen, hoffen und vor allem zusammen mit allen forstlichen Akteuren gegenhalten", so Hahn.

Allerdings gebe es regionale Unterschiede, betont Biedermann: "Es braucht immer eine gewissen Anzahl Käfer - zwischen Hunderten und Tausenden Individuen - um eine lebende Fichte umzubringen. Die ersten Käfer sterben bei dieser Attacke und werden durch das Baumharz rausgespült. Doch jeder Käfer erzeugt quasi ein 'Einschussloch' und je vorgeschwächter der Baum durch Trockenheit ist, desto weniger Käfer braucht es, um die Fichte umzubringen. Das heißt, dass es lokal große Unterschiede in der Käferproblematik geben kann, je nachdem wie gut der Bestand mit Wasser versorgt ist." Da in Norddeutschland schon sehr lange Trockenheit herrsche, rechnet der Wissenschaftler hier wieder mit den größten Schäden - auch wenn es dort kaum noch größere Fichtenbestände gebe.

Mehr Mischwald als Lösung

Längere Brutzyklen hätten aber auch einen ganz praktischen Vorteil: Forstwirte haben dann mehr Zeit, um befallene Bäume zu fällen und aus dem Wald zu schaffen. Denn das ist nach wie vor die beste Möglichkeit, um kurzfristig den Schaden zu reduzieren - auch für die Folgejahre. Langfristig, da sind sich die Experten einig, hilft es allerdings nur, den Wald grundsätzlich umzubauen. Das heißt vor allem: weg von Reinbeständen hin zu Mischwäldern - ein Ziel, das man schon seit den 1990er-Jahren verfolgt. Denn diese sind auch resistenter gegenüber Schädlingen wie dem Borkenkäfer.

Zudem muss laut Biedermann die Ursache der Probleme bekämpft werden: Der Klimawandel. In Zukunft sei mit dem Absterben vieler weiterer Baumarten zu rechnen, die zwar andere Symptome als den Borkenkäfer aufweisen, aber auf dieselbe Ursache, die Umstellung des Klimas, zurückzuführen seien. "Um unsere Wälder zu erhalten, muss dem Klimaschutz die höchste Priorität eingeräumt werden - alles andere ist nur Symptombekämpfung."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. Juni 2023 um 14:23 Uhr.