Batteriefabrik des chinesischen Herstellers CATL im thüringischen Erfurt

Thüringens Abhängigkeit von China Eine Ansiedlung mit Nebenwirkungen

Stand: 08.05.2023 08:19 Uhr

Glaubt man der Statistik, dann ist China für Thüringen der wichtigste Lieferant. Verantwortlich ist im Wesentlichen eine Großinvestition. Nun gibt es Sorgen vor ungesunder Abhängigkeit.

Von Florian Girwert, mdr

Die Daten sind nicht zu leugnen: Seit 2019 sind die Einfuhren von China nach Thüringen sprunghaft angestiegen. Von einem Anteil von knapp zehn Prozent, der über viele Jahre nur unwesentlich anstieg, wuchs er 2020 auf 14,4 Prozent, im Jahr 2021 auf 18,6 und im Jahr 2022 auf 27,3 Prozent - es wurden also chinesische Waren und Dienste im Wert von fast fünf Milliarden Euro importiert. 

Dass hier ein Zusammenhang mit dem Aufbau der großen Batteriefabrik am Erfurter Kreuz besteht, ist offensichtlich. Im Oktober 2019 war Spatenstich. 1,8 Milliarden Euro Investition versprach der chinesische Batterie-Spezialist mit dem sperrigen Namen "Contemporary Amperex Technology Co. Limited", kurz: CATL. Der größte Lithium-Ionen-Batterie-Hersteller der Welt sicherte zu, etwa 2000 Arbeitsplätze zu schaffen in dem Gewerbegebiet in Sichtweite der Kreuzung zwischen den Autobahnen 4 und 71. Inzwischen ist die Fertigung angelaufen, die Batterien werden unter anderem in Autos von BMW und Audi verbaut.

Modell einer Lithium-Ionen-Batterie des chinesischen Herstellers CATL

Das Modell einer Lithium-Ionen-Batterie des chinesischen Herstellers CATL.

Hunderte Chinesen arbeiten am Erfurter Kreuz

Unter den bisher etwa 1000 Beschäftigten sind Hunderte chinesische Arbeiter im Einsatz. Sie sollen sicherstellen, dass das Werk ordnungsgemäß hochgefahren wird, hatte CATL-Europachef Matthias Zentgraf gesagt. Sie kennen die aus China gelieferten Maschinen und Vorprodukte und sollen die wachsende Zahl einheimischer Mitarbeiter trainieren. Nach und nach soll ihr Anteil geringer werden, heißt es immer wieder vom Unternehmen.

Das wundert Andreas Freytag nicht. Der Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sagt, für viele chinesische Firmen sei zu viel Austausch mit Einheimischen unerwünscht. Freytag mahnt, Kooperationen im Technologiebereich würden in China so lange gerne gesehen, wie Wissen in Richtung China fließe. "Und CATL ist für etliche Autohersteller eigentlich schon jetzt unentbehrlich." Die chinesische Politik hingegen setze alles daran, von westlichen Lieferanten unabhängig zu werden.

Wer mit China zusammenarbeitet, braucht die Partei

Vor einer wachsenden Abhängigkeit von nur einem Lieferanten warnt auch Christian Tipecska, Chief Operating Officer des Maschinenbauers Ruhlamat mit Sitz in Gerstungen in Westthüringen. 300 Mitarbeiter fertigen hier Sondermaschinen für automatisierte Herstellungsprozesse aller Art - und 800 arbeiten an chinesischen Standorten.

"Wir müssen natürlich mit den Parteigremien vor Ort in China gut vernetzt sein", sagt Tipecska. Und man müsse sich darüber klar sein, dass China eine Diktatur ist und man etwa bei der chinesischen Corona-Politik gesehen habe, was das heißt. "Die machen dann eben mal für vier Wochen die Häfen zu." Wenn dann in Deutschland viel an chinesischen Lieferungen hängt, werde das zum Problem. Doch wer in China verkaufen wolle, von dem werde erwartet, dass er vor Ort produziert. "Wichtig ist kulturelles Training", so Tipecska. Dann funktioniere der Austausch mit chinesischen Mitarbeitern sehr gut.

Landespolitik sieht vor allem die Vorteile

Im Thüringischen Wirtschaftsministerium gibt man sich gelassener. China habe ein Interesse daran, seine Waren "langfristig auf dem deutschen und europäischen Markt abzusetzen und muss sich als zuverlässiger Partner präsentieren", sagt der Wirtschaftsminister des Landes, Wolfgang Tiefensee (SPD). Thüringen profitiere davon, dass neue Technologie hierher komme und neue Arbeitsplätze geschaffen würden. Bei den 30 chinesischen Beteiligungen oder Firmen im gesamten Bundesland seien keinerlei Probleme bekannt.

Das Ministerium verweist auch darauf, dass die Statistik durch den "Sondereffekt CATL" verzerrt sei. Man dürfe die Wirtschaftsbeziehungen nicht darauf reduzieren. Das Lieferantennetzwerk müsse jedoch geprüft werden. "Wenn einzelne Knoten zu groß werden, kommt das Gesamtsystem aus dem Gleichgewicht. Und das schadet am Ende allen", so Tiefensee.

Erfahrung schlägt Regionalität

Dennoch - es gibt in Thüringen die Hoffnung, dass CATL als großer Autozulieferer Aufträge in der Region verteilt. Kompetenzen seien vorhanden: Etwa bei Batterieschaltungen oder Gehäusen hätten Thüringer Zulieferer viel zu bieten und rechneten durchaus mit einer Zusammenarbeit, sagt Rico Chmelik, Geschäftsführer des Zuliefererverbands Automotive Thüringen.

Fast alle Batterieteile seien aber sicherheitsrelevant; da gehe im Zweifel ein etablierter Zulieferer vor, der schnell große Stückzahlen liefern kann. KDL zum Beispiel - ebenfalls aus China - stellt Teile für Batteriegehäuse her. Das Unternehmen hat sich direkt in der Nähe angesiedelt und beschäftigt nach Kenntnis des Branchennetzwerks bereits um die 100 Mitarbeiter in Thüringen.

Eine CATL-Sprecherin schreibt auf Anfrage in einer kurzen Mitteilung: "Als Zulieferer deutscher Auto- und Lkw-Hersteller siedeln wir langfristig wichtiges Know-how und eine lokale Fertigung an und beschleunigen so den Hochlauf der E-Mobilität." Man arbeite bereits mit vielen Unternehmen in Deutschland zusammen: "Unsere Reinräume oder unsere Lasertechnologie bekommen wir beispielsweise von Unternehmen aus Baden-Württemberg." Zu weiteren Fragen schweigt sich der Batterie-Riese aus.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell Radio am 04. November 2022 um 08:10 Uhr.