
EU erlaubt Ausnahme Spanien und Portugal deckeln Gaspreis
Spanien und Portugal dürfen laut einer Einigung mit der EU für zwölf Monate in den Strommarkt eingreifen und den Gaspreis für die Stromerzeugung deckeln. Das soll Haushalte entlasten.
Jetzt soll es schnell gehen: Schon im Mai sollten Stromkundinnen und -kunden in Spanien deutlich weniger zahlen als jetzt, sagte die Ministerin für den ökologischen Wandel, Teresa Ribera, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. "Gut 70 Prozent des Stromverbrauchs der Industrie werden deutlich billiger und rund 40 Prozent des privaten Verbrauchs - alles, was an die Großmarktpreise gebunden ist", erklärte Ribera.
In Spanien ist der regulierte Stromtarif nämlich an die Strompreisbörsen gebunden. 40 Prozent der Haushalte haben so einen Tarif, spüren also jeden Preissprung sofort. Das war auch schon vor der Energiekrise in Europa so, die Russlands Überfall auf die Ukraine ausgelöst hat.
Gedeckelter Preis halb so hoch wie der Marktpreis
Der Preis für Gas im Großhandel lag zuletzt bei mehr als 100 Euro pro Megawattstunde. Portugals Umweltminister Duarte Cordeiro beschrieb in Brüssel, wie die künftige Preisobergrenze funktionieren soll: "Mit diesem Mechanismus wird der Preis zunächst bei 40 Euro pro Megawattstunde liegen, also halb so hoch wie der Marktpreis." Über die Laufzeit von einem Jahr hinweg soll der Gaspreis für die Stromerzeugung dann im Durchschnitt bei 50 Euro liegen.
Für die Europäische Union ist das so etwas wie ein Tabubruch. Denn Spanien und Portugal steigen damit faktisch aus dem gemeinsamen EU-Binnenmarkt für Strom aus. Als so etwas wie eine energetische Insel hätten beide Länder aber auch kaum vom Strom-Binnenmarkt profitiert, sagte Ribera als Begründung, warum diese Sonderregelung notwendig sei. "Das liegt auch daran, dass wir kaum an das restliche europäische Stromnetz angeschlossen sind, und das macht die privaten und die industriellen Stromabnehmer sehr verwundbar."
Energieversorger kritisieren Sonderweg
Verbraucher mögen sich über den iberischen Sonderweg freuen, Energieversorger wie Iberdrola in Spanien fürchten dagegen um ihre Gewinnmargen. Denn sie haben bisher prächtig verdient. Iberdrola betreibt große Windparks. Wind- und andere erneuerbare Energien sind vergleichsweise günstig in der Erzeugung. Der Strom ist aber genau so teuer wie der aus Gasturbinen-Kraftwerken. Denn Verbraucher zahlen im aktuellen System immer so viel, wie an der Börse für den am teuersten produzierten Strom festgelegt wird.
Spanien sei überhaupt nicht anders als der Rest Europas, schimpfte vor einigen Tagen Iberdrola-Chef Ignácio Sánchez Galán in Reportermikrofone. "Spanien hat dasselbe Problem wie alle anderen mit einem Unterschied: Wir haben den regulierten Stromtarif, den gibt es nirgendwo sonst. Wenn man den so machen würde, wie im Rest Europas, würde der Strompreis um 30 bis 40 Prozent sinken", sagte der Iberdrola-Chef. Die Strompreise steigen allerdings auch in anderen EU-Staaten wie zum Beispiel in Deutschland, wenn auch nicht von einem Tag auf den anderen.
Staat will Firmen Preisdifferenz erstatten
Spanien will den Versorgern die Differenz zwischen Marktpreis und Preisdeckel erstatten. Allerdings ist unklar, woher das Geld kommen soll. Der spanische Staat ist klamm. Daher ist es unwahrscheinlich, dass er diese Subvention aus seinem Budget bezahlt.
Portugals Staatsfinanzen sehen noch schlechter aus. Von daher könnten die Kosten auf alle Stromkunden umgelegt werden - etwa durch einen Aufschlag auf die Stromrechnung, die aber gerade für diejenigen im regulierten Tarif trotzdem immer noch niedriger ausfallen soll.
Umstrittene Regeln für den EU-Energiemarkt
Auch wenn Spanien und Portugal ihre zeitlich begrenzte Sonderlösung als Erfolg feiern: Ihr Hauptziel haben sie nicht erreicht. Portugals Umweltminister Duarte Cordeiro betonte vergangene Woche in Brüssel, die EU-Kommission müsse die Bildung der Energiepreise überdenken.
Denn das ist der Kern des Problems aus Sicht von Ländern wie Spanien und Portugal, die deutlich mehr Strom aus den vergleichsweise billigen erneuerbaren Energien erzeugen als andere EU-Mitglieder: Sie wollen schon seit Jahren weg von dem System, das sich an der teuersten Energieform, also Gas, orientiert. Sie haben aber damit bisher in Brüssel auf Granit gebissen. Der Preisdeckel könnte nun als Instrument dafür dienen, diese Diskussion durch die Hintertür neu aufzulegen.