Stahlwerk Port Talbot von Tata Steel in Südwales.

Wirtschaft schrumpft vor Wahl Großbritannien rutscht in die Rezession

Stand: 15.02.2024 11:07 Uhr

Die britische Wirtschaft steckt seit Ende des vergangenen Jahres in der Rezession. Ökonomen erwarten, dass die Konjunkturkrise vorerst weitergeht. Das macht einen baldigen Regierungswechsel im Land noch wahrscheinlicher.

Angesichts hoher Zinsen und Inflation ist die britische Wirtschaft zum Jahresende in eine Rezession geschlittert. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte von Oktober bis Dezember um 0,3 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistikamt ONS heute in London mitteilte. Bereits im vorangegangenen dritten Quartal war es um 0,1 Prozent nach unten gegangen.

Größtes Minus seit 2021

Bei zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit schrumpfender Wirtschaftsleistung sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession. Das Minus im vierten Quartal war das größte seit Anfang 2021, als neue Corona-Beschränkungen die Konjunktur abwürgten. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang von 0,1 Prozent gerechnet.

Im Gesamtjahr 2023 reichte es immerhin noch zu einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent. Für 2024 rechnet die Bank of England mit einer geringfügigen Belebung: Dann soll das BIP um etwa 0,25 Prozent steigen.

Viele Ökonomen erwarten dagegen, dass die Konjunkturkrise weitergeht: "Wir gehen weiterhin davon aus, dass das Vereinigte Königreich in den nächsten drei Quartalen in einer leichten Rezession verharren wird", schreiben etwa die Analysten der Großbank UniCredit. Die Ersparnisse der privaten Haushalte aus der Corona-Zeit seien aufgebraucht und die Finanzierungskosten hoch. Der Arbeitsmarkt stehe unter Druck.

Hohe Investitionskosten bremsen Konjunktur

Grund für die Rezession ist vor allem die hohe Inflation. Derzeit liegt die Teuerungsrate mit vier Prozent doppelt so hoch wie von der Zentralbank angestrebt. Das dämpft die Kaufkraft der Verbraucher. Um die Inflation zu drücken, hat die Bank of England ihre Zinsen stark erhöht. Das macht jedoch Investitionen teurer, etwa in Bauten und Maschinen. Industrie, Baugewerbe und Großhandel haben dem Statistikamt zufolge am meisten zum schwachen Abschneiden im vierten Quartal beigetragen.

Wie das Statistikamt weiter mitteilte, hat sich die Wirtschaftsleistung im Dezember schwächer entwickelt als im Monat zuvor. Für Dezember wurde ein Rückgang um 0,1 Prozent gemeldet. Zudem entwickelte sich das BIP im November etwas schwächer als bisher bekannt. Der Anstieg wurde auf nur noch 0,2 Prozent nach unten revidiert, nachdem zuvor ein Zuwachs um 0,3 Prozent gemeldet worden war. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland werden in Großbritannien auch monatliche Daten zur Wirtschaftsleistung veröffentlicht.

Überraschend stark zeigte sich allerdings die Industrieproduktion des Landes. Die Fertigung stieg im Dezember um 0,6 Prozent im Monatsvergleich, wie das Statistikamt weiter mitteilte.

Problem für Tories im Wahlkampf

Für Premierminister Rishi Sunak ist die wirtschaftliche Flaute derweil ein Rückschlag im Wahljahr. Schließlich hatte er versprochen, die Wirtschaft anzukurbeln. Finanzminister Jeremy Hunt sagte, die Zahlen seien keine Überraschung. Das Land sei aber auf einem guten Weg, die Regierung werde an ihrem Plan festhalten und weiter Steuern kürzen und die Inflation bekämpfen.

"Es gibt Anzeichen dafür, dass die britische Wirtschaft eine Trendwende erlebt", sagte Hunt. Die Löhne dürften künftig schneller steigen als die Preise. Zudem müssten die Steuern auf Arbeit und für Unternehmen gesenkt werden, "um eine stärkere Wirtschaft aufzubauen". Medienberichten zufolge will Hunt Milliarden an Ausgaben einsparen, um die Steuersenkungen finanzieren zu können.

Großbritannien wählt in diesem Jahr ein neues Parlament. Die oppositionelle Labour-Partei liegt in allen Umfragen deutlich vor den Tories und hat damit gute Chancen, künftig den Regierungschef zu stellen. Sie kritisierte, die Rezession sei das Ergebnis von 14 Jahren chaotischer konservativer Politik.

Christoph Prössl, ARD London, tagesschau, 15.02.2024 10:53 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Februar 2024 um 11:28 Uhr.