Samia Suluhu Hassan, Emmanuel Macron und Charles Michel

EU-Afrika-Gipfel Europäisches Fernduell mit China

Stand: 18.02.2022 08:12 Uhr

150 Milliarden Euro will die EU in Afrika investieren - und so Einfluss auf dem Kontinent gewinnen. China hat dort längst die Nase vorn. Doch dessen Vorgehen bei Investitionen hat für Länder wie den Senegal auch Nachteile.

Von Susanne Tappe, ARD-Studio Rabat

Februar-Besuch im Senegal. Kurz vor dem Gipfel der EU und der Afrikanischen Union hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein großes Geschenk im Gepäck: 150 Milliarden Euro will die EU in Afrika investieren. Das ist die Hälfte des Gesamtvolumens ihres Investitionsprogramms "Global Gateway", mit dem die EU weltweit an Einfluss gewinnen will.

Streitpunkte bei erstem Gipfel der EU und der Afrikanischen Union seit fast fünf Jahren

Michael Grytz, Brüssel ARD, tagesschau 17:00 Uhr

Entsprechend beschwor von der Leyen in ihrer Rede die Relevanz der EU für Afrika: "Auf dem Gipfel werden Investitionen im Mittelpunkt der Diskussionen stehen, weil sie das Mittel unserer gemeinsamen Ambitionen sind. In diesem Bereich ist Europa der zuverlässigste und mit Abstand wichtigste Partner für Afrika." 

Chinas Vorsprung mit der "Neuen Seidenstraße"

Letzteres beschreibt allerdings eher das Ziel als den Status quo. Zurzeit betrachten viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent nicht Europa, sondern China als ihren wichtigsten Partner. Denn die Volksrepublik investiert im Rahmen ihres Projekts "Neue Seidenstraße" schon seit Jahren - in die Infrastruktur und in die Wirtschaft.

So auch im Senegal. Zahlreiche Straßen, Brücken und Prestigebauten wie Museen, Theater und Sportarenen wurden mit Geld und oft auch mit Hilfe von Arbeitern aus China gebaut. China hat bereits mehr als zwei Milliarden Euro im Senegal investiert und ist laut der CDU-nahen Konrad-Adenauer Stiftung der mit Abstand größte Handelspartner. In nahezu jeder größeren Stadt des Landes gibt es Shops mit billiger China-Ware. Und in der Hauptstadt Dakar sogar einen großen chinesischen Markt.

Hier verkauft auch der Chinese Tchapan Kleidung. Der 23-jährige kam vor knapp drei Jahren in den Senegal, erzählt er in der westafrikanischen Landessprache Wolof: "Es geht Stück für Stück voran. Ich verkaufe Kleidung. Das ist ein Kleckergeschäft. Das Geld tröpfelt nach und nach rein. Wir werden auch von China unterstützt. Man hilft uns."

Viele neue Jobs, aber fragwürdige Arbeitsbedingungen

Elhadji Alioune Diouf, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Dakar, kann der senegalesisch-chinesischen Partnerschaft bislang nur Gutes abgewinnen. Denn anders als europäische Geldgeber diktierten die Chinesen den Senegalesen keine Bedingungen. Vielmehr unterstützten sie den Entwicklungsplan des Staatspräsidenten Macky Sall: "Die Investitionen sind im Sinne der senegalesischen Regierung", sagt Diouf. "Da geht es um Stadien, Brücken, Straßen, Autobahnen, Krankenhäuser und Industrieparks. Das sind alles Infrastrukturprojekte der Regierung." Laut Wirtschaftsexperte Diouf schaffen all diese Investitionen auch Arbeitsplätze für Senegalesen.

Doch die Arbeitsbedingungen auf chinesischen Baustellen und in chinesischen Fabriken sorgen immer wieder für Kritik: Die Verträge sind meist auf wenige Monate befristet, die Gehälter niedrig. Erst Anfang Dezember 2021 streikten die rund 1500 senegalesischen Arbeiter einer chinesischen Fliesenfabrik östlich von Dakar. Sie berichteten dem französischen Fernsehsender TV5 Monde von mangelndem Arbeitsschutz und einem respektlosen Umgang der Vorgesetzen mit den Mitarbeitern.

"Während einer Zwölf-Stunden-Schicht gab es keine Pause, und wir haben nicht einmal gefiltertes Leitungswasser bekommen, während unsere chinesischen Vorgesetzten Mineralwasser aus Flaschen getrunken haben", erzählt der Maschinenführer Aliou Ndiaye. "Man kann fast sagen, wir wurden behandelt wie Sklaven."

Caroline Hoffmann, ARD Nairobi, Markus Preiß, ARD Brüssel, zum Afrika-Gipfel in Brüssel

tagesschau24 11:00 Uhr

Differenzierte Betrachtungen aus dem Alltag der Menschen

Auch in der Bevölkerung sehen viele Menschen das chinesische Vorgehen kritisch. Hamath Diagne arbeitet im Immobiliensektor. "Oft stellen die Chinesen niemanden ein oder nur ganz wenige Leute", beklagt sie. "Sie bringen ihre Arbeiter mit und nehmen sie nach Abschluss des Bauprojektes wieder mit nach Hause - genauso wie sämtliche Materialien." Die Investitionen der Chinesen seien zwar recht leicht zugänglich - wahrscheinlich nähmen die afrikanischen Staaten sie deswegen gern in Anspruch, mutmaßt Diagne. "Aber diese Zusammenarbeit ist nicht fruchtbar - weder für Afrikaner noch für Afrika als Ganzes."

Und die Kleinunternehmerin Mariama Santos, die in Dakar ein Restaurant betreibt und selbst mit Kleidung und Parfüm handelt, meint: "Die chinesischen Infrastrukturprojekte bieten Menschen im Senegal Arbeit - wenn auch oft nur vorübergehend. Aber die chinesischen Waren, die hierherkommen - Kleidung, Schuhe und so weiter -, die sind nicht gut. Sie sind billig, ja, und das freut die arme Bevölkerung - aber sie gehen schnell kaputt und lassen sich auch nicht reparieren."

Viele Länder stehen bei China in der Kreide

Billige Importwaren und leicht zugängliche Kredite ohne politische Einmischung - das ist verführerisch. Viele afrikanische Länder mussten schon nach nur wenigen Jahren feststellen, dass sie sich hochgradig bei China verschuldet hatten. Das ostafrikanische Kenia zum Beispiel schuldet der Volksrepublik schon acht Mal soviel Geld wie Frankreich, seinem zweitgrößten Gläubiger.

Diese Gefahr sieht auch der senegalesische Wirtschaftsexperte Diouf. Er sehe zwar abgesehen von der Verschuldung eigentlich keine Nachteile. Aber: "Wir sollten die Entwicklung dieser Verschuldung beobachten, um zu verhindern, dass sie das zukünftige Wirtschaftswachstum beeinträchtigt."

Die Europäische Union weiß um diese Schwäche des chinesischen Engagements. Statt Krediten sollen von der EU vor allem Zuschüsse fließen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Konkurrenz belebt also auch in Afrika das Geschäft.

Susanne Tappe, NDR, 17.02.2022 12:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Februar 2022 um 17:14 Uhr.