
Homeoffice-Regeln in Portugal Kontaktverbote nach Feierabend
In Portugal treten in Kürze neue strenge Regeln in Kraft, um Arbeit und Freizeit auch im Homeoffice zu trennen. Außerhalb der Arbeitszeit soll der Chef keine Aufträge mehr erteilen dürfen - unter Androhung hoher Strafen.
"Liebe Kollegin Costa, könnten Sie schnell nochmal die Zahlen im Projekt 1/22 aktualisieren? Ich bräuchte das bis 22 Uhr". Eine solche WhatsApp-Nachricht um acht Uhr abends könnte den Chef oder das Unternehmen im Extremfall künftig knapp 10.000 Euro kosten. So steht es in den Regeln, die das portugiesische Parlament in Lissabon im November verabschiedet hat und die zum 1. Januar in Kraft treten.
Menschen, die aktuell im Homeoffice arbeiten, sehen die neuen Regeln ziemlich unterschiedlich: "Wirklich dringende Anrufe sind o.k., aber ganz allgemein finde ich auch, dass wir außerhalb der Arbeitszeit in Ruhe gelassen werden sollten", sagt ein Portugiese. "Kontaktverbot o.k., aber man weiß ja eh, was von einem erwartet wird", meint ein Frau. "Wir sind eigentlich gut eingespielt, kein Problem", findet ein Passant. Von "gute Sache" über "Augenwischerei" bis "brauchen wir nicht" reichen somit die Reaktionen.
Dringende Anrufe weiter erlaubt
Dringende Anrufe oder Chat-Nachrichten sind auch nach den neuen Regeln weiter erlaubt - bei "höherer Gewalt". Gemeint ist: Wenn es im Betrieb zum Beispiel einen größeren Unfall gibt oder einen Streik.
So richtig neu ist die Idee mit dem Kontaktverbot außerhalb regulärer Arbeitszeiten übrigens nicht: Die Regierung hat sich das Thema schon vor fünf Jahren zum ersten Mal vorgenommen - Vorbild ist Frankreich. Dort wurde unter der Präsidentschaft von François Hollande schon 2017 ein Recht aufs "offline sein" nach Feierabend eingeführt.
Recht auf Homeoffice und Kostenausgleich
Das portugiesische Gesetz geht jetzt aber noch einen Schritt weiter: Von Januar an haben Menschen nämlich sogar ein Recht darauf, vom Homeoffice aus zu arbeiten - ob es dem Arbeitgeber passt oder nicht. Das gilt jedenfalls unter bestimmten Bedingungen: wenn der Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen hat, wenn es um Büroarbeit geht und wenn die Beschäftigten bis zu acht Jahre alte Kinder haben. Da wollte das Linksbündnis Bloqo de Esquerda eigentlich mehr: Eltern mit Kindern bis zu zwölf Jahren sollten ein Recht auf Heimarbeit bekommen - aber am Ende stimmten die Linken den Gesetzentwurf der Minderheitsregierung von Antonio Costa zu.
Aber es geht noch weiter. "Nur weil sich die Art und Weise ändert, wo und wie gearbeitet wird, dürfen den Arbeitnehmern keine Kosten entstehen", sagt Ana Mendes. Was die Arbeits- und Sozialministerin da anspricht, heißt konkret: Wer im Homeoffice arbeitet, der hat auch ein Recht darauf, dass die Firma zum Beispiel Strom oder Internet bezahlt. Spätestens an dieser Stelle geht die Regelung Luis Miguel Ribeiro vom Arbeitgeberverband Schluss zu weit. "Wir haben kein Verständnis dafür, dass immer die Unternehmen die ganze Last tragen sollen", sagt er. "Unter diesen Bedingungen können wir nicht garantieren, dass die Jobs erhalten bleiben."
Zusatzverbrauch schwer nachzuweisen
Tatsächlich müssten Beschäftige die Extrakosten für Strom oder den Internetanschluss konkret nachweisen. Das würde ziemlich schwierig, sagt ein Angestellter: "Im Grunde finde ich die Regel gut, aber: Internet hat man eh, und klar, man verbraucht mehr Strom. Aber wie soll man das quantifizieren?"
Das wird sich vielleicht schon bald zeigen. Denn wegen steigender Corona-Inzidenzen hat die portugiesische Regierung nach den Weihnachtsfeiertagen zu Beginn des neuen Jahres eine Woche Lockdown-Light verordnet: Wer irgendwie kann, soll vom 2. bis zum 9. Januar im Homeoffice bleiben.