
Wenn Arbeiten unmöglich wird Mit Long Covid in den finanziellen Ruin
Zehn Prozent aller Corona-Infizierten leiden an Long Covid, schätzt das Robert Koch-Institut. Betroffene, die deshalb nicht mehr arbeiten können, fühlen sich vom Sozialsystem alleingelassen.
Konzentrieren kann Cornelia Eichhorn sich 45 Minuten lang. "Danach setzen körperliche Symptome ein", sagt sie. Schmerzen und Schwindel plagen sie jeden Tag. Ihre Lunge nimmt noch immer zu wenig Sauerstoff auf, dadurch hat sie Herzprobleme. Im November 2020 infizierte sich Cornelia Eichhorn mit Corona - bei ihrer Mutter, nachdem die sich im Krankenhaus angesteckt hatte. Seitdem ruht Eichhorns Arbeitsverhältnis, sie ist krank.
Cornelia Eichhorn ist 42 Jahre alt und leidet unter dem Post-Covid-Syndrom. Bei ihrer Arbeit als Dokumentarin in der medizinischen Forschung geht es um jede einzelne Ziffer. Sie vergleicht etwa Medikamente für Studien. "Ich mache meinen Beruf sehr gern", sagt sie. "Ich möchte auch in Zukunft gern wieder als Dokumentarin arbeiten, aber im Moment ist mir tatsächlich meine Gesundheit und das Gesundwerden wichtiger."
"Im Niemandsland unseres Sozialsystems"
Am 9. Mai ist ihr Krankengeld ausgelaufen. Seitdem befindet sie sich in der sogenannten "Aussteuerung", erklärt sie. "Ich befinde mich eigentlich gerade so ein bisschen im Niemandsland unseres Sozialsystems, weil keiner gerade so richtig zuständig ist für mich." Sie hat einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt. Eine Rente auf Zeit, für zwei, drei oder fünf Jahre, das würde schon helfen. Doch die Bearbeitung kann bis zu einem Jahr dauern. So lange kann sie Arbeitslosengeld bekommen, "aber dieser Antrag ist immer noch nicht beschieden." Im Moment lebt Cornelia Eichhorn von ihren Ersparnissen.
Die Sozialversicherungen fangen Erwerbstätige auf, die es aus dem Arbeitsleben wirft - etwa bei Arbeitsunfällen oder Krebserkrankungen. Mit den Folgen der Corona-Infektion tun sie sich schwer. So können Betroffene neben der Erwerbsminderungsrente, auf die Eichhorn hofft, andere Hilfen beantragen: Beschäftige im Gesundheitswesen können Covid-19 als Berufskrankheit anerkennen lassen. Und wer sich bei der Arbeit angesteckt hat, kann dies als Arbeitsunfall melden.
Anerkennung bürokratisch und kompliziert
Doch die Anerkennung ist nicht nur bürokratisch und kompliziert - besonders für jemanden, der unter den Post-Covid-Symptomen leidet. Sie gehe auch viel zu schleppend voran, beobachtet der Sozialverband VdK. "Im Moment ist es so, dass die Renten- und Unfallversicherung oft sehr rigide sind und die Anerkennung von Long-Covid-Erkrankungen noch nicht so umfassend funktioniert, wie das für unsere Mitglieder und viele andere Menschen in Deutschland gut wäre", sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Die Anerkennungsquote bei den Berufskrankheiten sei mit 80 Prozent schon recht hoch, so der VdK. Aber nur 25 Prozent der Anträge würden dauerhaft anerkannt. Bei den Arbeitsunfällen, wo rechtsfest nachgewiesen werden muss, dass man sich am Arbeitsplatz angesteckt hat, sind es nur 30 Prozent. "Für uns als Sozialverband VdK ist wichtig, dass die Menschen gut begutachtet und untersucht werden und eben auch ihre Unterstützung und Hilfe kriegen", so Bentele. "Und nicht permanent Angst haben müssen, aus der Unterstützung zu fallen, weil das für einen Heilungsprozess natürlich nie hilfreich ist."
Anträge auf Berufskrankheit vervielfacht
Die Zahlen dieser Anträge sind erschreckend hoch. 2019, vor der Corona-Pandemie, gingen gut 80.000 Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit bei der Gesetzlichen Unfallversicherung ein. 2021 waren es mehr als 220.000 - davon betraf der Großteil mit gut 150.000 Anträgen Covid-19.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung äußert sich dazu auf Anfrage von tagesschau.de nicht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund erklärt schriftlich:
Anträge auf Erwerbsminderungsrente werden erst gestellt, wenn über einen längeren Zeitraum keine Besserung der körperlichen Einschränkungen zu erkennen ist und eine gesicherte medizinische Prognose der zukünftigen Leistungsfähigkeit erstellt werden kann. Zudem wird nach dem Leitsatz 'Reha vor Rente' versucht, durch geeignete Rehabilitationsleistungen eine Erwerbsminderung abzuwenden."
Hoffen auf die Erwerbsminderungsrente
Cornelia Eichhorn war schon zweimal zur Reha. Arbeiten kann sie trotzdem nicht. Im Moment hofft sie wie viele andere Betroffene weiter auf die Erwerbsminderungsrente. "Wenn das nicht ist, würden wir weiter nach unten fallen und im schlimmsten Fall würde das Hartz IV bedeuten. Und das ist natürlich schon eine Aussicht, die man eigentlich nicht möchte."
Eichhorn freut sich über kleine Fortschritte, die sie auf ihrem Weg zur Heilung macht. Weit in die Zukunft könne sie nicht mehr planen. "Es ist so eine gewisse Unsicherheit", sagt sie. "Ich hoffe einfach, dass das Sozialsystem, was ja für Deutschland bekannt ist, uns jetzt auffängt."