
Hohe Spritpreise Ökonomen kritisieren Tankrabatt
"Völlig aus der Zeit gefallen", "herausgeschmissenes Geld": Ökonomen üben teils scharfe Kritik an dem von Finanzminister Lindner befürworteten Tankrabatt. Wirtschaftsexperten haben andere Vorschläge, wie sich Bürger entlasten lassen.
Führende Ökonomen haben den von Bundesfinanzminister Christian Lindner geplanten Tank-Zuschuss zur Entlastung der Autofahrer von hohen Spritpreisen kritisiert. "Entlastungen sollten nicht mit der Gießkanne erfolgen, sondern gezielt. Deshalb denke ich, dass der Tankrabatt nicht das richtige Instrument ist", sagte Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts, der "Rheinischen Post".
Auch Veronika Grimm, Mitglied im Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung, betonte: "Die Diskussion um Tankrabatte ist völlig aus der Zeit gefallen. Wir müssen die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Tankrabatte entlasten aber Gutverdienende stärker, weil diese mehr Autos besitzen und weitere Strecken fahren."

Erstmals seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind die Spritpreise in Deutschland wieder ein wenig gesunken. Diesel gab binnen eines Tages um 4,2 Cent pro Liter nach, Super E10 verbilligte sich um 3,3 Cent. Der bundesweite Tagesdurchschnittspreis für Diesel betrug gestern 2,25 Euro pro Liter, wie der ADAC mitteilte. Bei Super E10 waren es 2,159 Euro. Im Vergleich zum Stand vor der Invasion Russlands ist Diesel allerdings noch immer knapp 59 Cent pro Liter teurer, E10 knapp 41 Cent.
Dem Verkehrsclub zufolge gibt es auch heute Anzeichen für einen weiteren, wenn auch langsameren Rückgang. Am Dienstag hatte der Preis für einen Liter Diesel noch bei durchschnittlich 2,292 Euro gelegen. Für einen Liter Super E10 mussten die Autofahrer im bundesweiten Mittel 2,192 Euro bezahlen.
Tankrabatt könnte Klimaschutz erschweren
"Bei Haushalten mit hohen Einkommen ist der Anteil der Ausgaben für Benzin besonders hoch, die Benzinpreissenkung ist also tendenziell eine Umverteilung von unten nach oben", erklärte ifo-Chef Fuest weiter. Gezielte Hilfen habe die Bundesregierung bereits beschlossen, etwa Hilfen für Fernpendler oder Heizkostenzuschüsse.
"Wirtschaftsweise" Grimm kritisierte zudem, Tankrabatte vergünstigten fossile Energieträger. "Das konterkariert den Klimaschutz und verschärft die Herausforderungen bei einem möglichen Lieferstopp von russischem Gas massiv. Wir brauchen den dämpfenden Effekt hoher Preise auf die Nachfrage, um im Falle der Knappheit fossiler Energieträger nicht vor noch größeren Herausforderungen zu stehen als ohnehin schon."
Entlastungen müssten zielgerichtet sein, so Grimm. "Denkbar wäre ein Energiegeld, das die Empfänger als Einkommen deklarieren müssen. Dann wird es von Beziehern hoher Einkommen in größerem Umfang wieder zurückgezahlt. Auch Energieeffizienzprogramme könnten helfen." Für ein Energiegeld setzen sich unter anderem die Grünen ein.
"Eine verrückte Idee"
Ähnlich äußerte sich auch Jens Südekum, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Wirtschaftsministerium und Professor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität: Der Vorschlag Lindners sei "komplett verfehlt" und "zum Fenster herausgeschmissenes Geld".
"Der Spritpreisdeckel entlastet auch die Tankrechnung von schwerreichen SUV-Fahrern", so Südekum. Das Motto müsse nun lauten, Energie einzusparen. "Dafür müssen die Menschen, wo immer möglich, das Auto stehen lassen. Hohe Benzinpreise sorgen genau dafür." Bei einer Abhängigkeit vom Auto könne der Staat punktuell helfen, sei es über den Grundfreibetrag der Einkommensteuer oder noch besser durch ein pauschales Energiegeld.
Der Umweltökonom Felix Matthes vom Öko-Institut nannte den Tankrabatt "eine der absurdesten Ideen aus den letzten 20 Jahren". "Das Problem wird ja nicht dadurch gelöst, dass alle, die eine hohe Tankrechnung haben, einen großen Rabatt bekommen. Das ist nicht zielgerichtet. Und wird extrem teuer", sagte er dem "Spiegel". Ein Tankrabatt sei anreiztechnisch, verteilungstechnisch und mit Blick auf die öffentlichen Haushalte "eine verrückte Idee".
Lindner verteidigt seinen Vorschlag
FDP-Chef Lindner hatte den zeitlich befristeten staatlichen Tank-Zuschuss am Wochenende ins Spiel gebracht. Er selbst hält einen Tankrabatt für richtig, weil dieser schneller umzusetzen sei als eine Steuersenkung. Die Mittel könnten aus dem Haushalt bereitgestellt werden. Eine Reduzierung um zehn Cent pro Liter Diesel und Benzin würde den Staat pro Monat 550 Millionen Euro kosten.
"Es wird, wenn es nach mir geht, mehr als zehn Cent und mehr als ein Monat sein müssen", so Lindner. Die Abrechnung liefe über die Tankstellenbetreiber oder die Mineralölkonzerne. Die Hilfe wäre befristet, käme aber schnell und ohne große Bürokratie. Es sei bisher nur ein Vorschlag und noch kein Regierungsbeschluss, betonte Lindner.
Kritik kam zuletzt auch vom Tankstellenverband ZTG und von Verbraucherschützern. Auf Unverständnis trifft der Vorschlag zudem in den Reihen der Koalitionspartner SPD und Grüne. Lindner zeigte sich dennoch optimistisch: "Ich sehe jedenfalls in der SPD viele, die dafür sind", sagte Lindner in der ARD-Sendung "Maischberger. Die Woche". Er setze sich dafür ein, weil solch ein Schritt vielen Pendlern und auch anderen Menschen helfen würde.