Ein Mann schaut am Flughafen Hamburg auf eine Anzeigentafel, auf der zahlreiche gestrichene Flüge angezeigt werden.

Drastischer Anstieg von Beschwerden Mehr Schlichtungsfälle bei Bahn- und Flugreisen

Stand: 02.01.2024 15:12 Uhr

Das Reisen gestaltete sich im vergangenen Jahr für viele Passagiere als Herausforderung. Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr meldet einen drastischen Anstieg von Beschwerden.

Beim Streit um Erstattung können sich Passagiere und Fahrgäste an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden. Rund 39.700 Betroffene haben das im vergangenen Jahr getan, wie die SÖP heute mitteilte.

Damit gingen bei der Stelle knapp ein Drittel mehr Anträge ein als im Jahr davor - und fast so viele wie im bisherigen Rekordjahr 2020 mit damals mehr als 41.000 Beschwerden. In diesem Jahr könnte sich die Zahl der Fälle auf hohem Niveau einpendeln.

Luftverkehr dominiert Beschwerden

Der Großteil der Anträge, etwa 84 Prozent, betraf den Luftverkehr. Passagiere waren vor allem mit annullierten oder nicht angetretenen Flügen, Flugverspätungen sowie verlorenen, verspäteten oder beschädigten Gepäckstücken konfrontiert.

Etwa 14 Prozent der Schlichtungsanträge bezogen sich auf die Bahn, hauptsächlich auf Zugausfälle und Verspätungen. "Neu hinzu kamen Schlichtungsanträge im Kontext des Deutschlandtickets", teilte die SÖP weiter mit.

Viele Fälle aus 2022 anhängig

Ausschlaggebend für den deutlichen Anstieg im vergangenen Jahr waren der SÖP zufolge vor allem die chaotischen Zustände an deutschen Flughäfen im Jahr 2022. Vor allem personelle Engpässe führten im damaligen Sommer angesichts des wieder anziehenden Passagierverkehrs zu zahlreichen Flugausfällen und Verspätungen. Diese Probleme machten sich bei der Schlichtungsstelle auch im ersten Halbjahr 2023 bemerkbar, weil es in der Regel einige Wochen dauert, bis sich betroffene Reisende per Antrag melden.

Vor allem in den Monaten bis einschließlich Juli gingen meist doppelt so viele Schlichtungsanträge bei der SÖP ein wie noch im Jahr davor. Auch in der zweiten Jahreshälfte blieben die Zahlen hoch, erreichten aber nicht mehr das Niveau des Vorjahreszeitraums.

In rund 85 Prozent der Fälle konnte eine Einigung im Sinne der Reisenden erzielt werden. "Viele Unternehmen zeigten sich im vergangenen Jahr besonders kulant", hieß es. "Mehr als jede dritte Forderung wurde sofort anerkannt, so dass die Streitigkeiten häufig binnen weniger Wochen beigelegt werden konnten."

Mehr Beschwerden im Bahnverkehr

Nicht nur im Luftverkehr, sondern auch bei der Bahn gab es im letzten Jahr vermehrt Probleme. Der Anteil der Anträge mit Bahnbezug stieg von zwölf Prozent im Jahr 2022 auf 14 Prozent im vergangenen Jahr. Umgerechnet hat sich die Zahl der Bahn-Streitfälle damit von rund 3.600 auf mehr als 5.500 erhöht. Die SÖP verweist auf neue Fälle aufgrund des Deutschlandtickets. Genauere Analysen dazu will sie im Jahresbericht Ende März veröffentlichen.

Nicht nur im Regional-, sondern auch im Fernverkehr gab es danach viele Probleme. Allein im November kam fast jeder zweite Fernzug zu spät ans Ziel. Nahezu jeder dritte Fahrgast war von Verspätungen betroffen. Hauptgrund für die hohe Unzuverlässigkeit auf der Schiene ist der schlechte Zustand der Infrastruktur. Hinzu kamen 2023 insgesamt vier Warnstreiks aufgrund verschiedener Tarifauseinandersetzungen bei der Bahn.

Schlechte Aussichten für 2024

Die Aussichten für das eben begonnene Jahr sind ebenfalls trüb. Zum einen geht der Tarifstreit mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer weiter. Und bis die Probleme auf der Infrastruktur behoben sind, dürfte es noch Jahre dauern. Dutzende vielbefahrene Korridore will die Bahn ab diesem Sommer generalsanieren. Los geht es dann auf der sogenannten Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Die Strecken sollen über Monate komplett gesperrt und dann rundum erneuert werden. Für die Fahrgäste wird es also zunächst stressiger, bevor es besser werden könnte.

"Wir gehen davon aus, 2024 mehr oder weniger so viele neue Schlichtungsanträge zu erhalten wie 2023", teilte die Stelle mit. Immer mehr Reisende nutzten die SÖP, und der Fachkräftemangel sowie die Infrastrukturprobleme insbesondere bei der Bahn blieben eine Herausforderung.

Die SÖP kümmert sich seit 2010 um Probleme bei Flug-, Bus-, Bahn- und Schiffsreisen. Zum größten Teil geht es um eine Entschädigung bei Verspätungen oder Ausfällen von Flügen und Bahnfahrten. Rund 400 Verkehrsunternehmen beteiligen sich an dem Schlichtungsverfahren, das sie selbst finanzieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Januar 2024 um 14:00 Uhr.