Obst und Gemüse auf einem Wochenmarkt.

Teure Lebensmittel Keine Mehrwertsteuer auf Obst?

Stand: 08.06.2022 10:11 Uhr

Von Ökonomen kommt Unterstützung für einen Vorstoß von Agrarminister Özdemir: Der Grünen-Politiker hat gefordert, dass Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte wegen der starken Teuerung von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Angesichts der starken Teuerung bei Lebensmitteln werden Forderungen nach einer Aussetzung der Umsatzsteuer auf bestimmte Produkte lauter. "Eine Mehrwertsteuerbefreiung von bestimmten Produkten der Grundversorgung, wie Obst, Gemüse und Getreide, ist sozial klug und ökonomisch vertretbar", sagte DIW-Chef Marcel Fratzscher dem "Handelsblatt". Eine solche Maßnahme würde allen Menschen zugutekommen und könne auch schnell umgesetzt werden.

Der Ökonom reagierte damit auf eine Forderung von Bundesagrarminister Cem Özdemir. Dieser hatte sich vor einigen Tagen angesichts der Folgen des Krieges in der Ukraine für Entlastungen der Bevölkerung ausgesprochen.

"Für Staat günstiger als Tankrabatt"

Özdemir warb dafür, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen. Dies schaffe nicht nur einen zusätzlichen Anreiz für gesündere Ernährung. Von einem solchen Schritt würden zudem vor allem einkommensschwache Haushalte profitieren.

"Vor allem Menschen mit geringen Einkommen würden besonders stark von einer Mehrwertsteuerbefreiung bei der Grundversorgung profitieren", sagte auch Fratzscher. Die Erfahrung mit der temporären Mehrwertsteuersenkung im Jahr 2020 zeige, dass 70 Prozent der Steuersenkung an Konsumenten weitergegeben worden seien - anders als beim Tankrabatt. Überdies wäre eine temporäre Steuerbefreiung bei bestimmten Lebensmitteln "für den Staat günstiger als der Tankrabatt".

Rasanter Anstieg der Lebensmittelpreise

Forderungen nach einer Streichung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für bestimmte Nahrungsmittel waren bereits im April aufgekommen. Doch seither hat sich der Preisanstieg bei Lebensmitteln Experten zufolge nochmals verschärft. Nach neuesten Daten des Statistischen Bundesamts vom April erhöhten sich die Preise für Nahrungsmittel für die privaten Haushalte um 8,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Dieser Preisanstieg lag damit deutlich über dem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise; die Inflationsrate betrug im gleichen Zeitraum 7,4 Prozent.

Besonders Speisefette und Speiseöle wurden teurer (plus 27,3 Prozent), ebenso Fleisch und Fleischwaren (plus 11,8 Prozent), Molkereiprodukte und Eier (plus 9,4 Prozent) sowie frisches Gemüse (plus 9,3 Prozent).

Katzenfutter begünstigt, Babynahrung nicht

Aktuell gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent nur für Grundnahrungsmittel. Für alle anderen Lebensmittel werden 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Für welche Produkte welcher Satz gilt, ist teils schwer nachvollziehbar: So werden für Katzenfutter nur sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig, während für Babynahrung der volle Steuersatz von 19 Prozent anfällt.

Milch ist begünstigt, bei Hafer- und Sojamilch zahlen Verbraucher den Regelsteuersatz. Zu den begünstigen Lebensmitteln gehören zudem Fleisch und Wurst, aber auch Eis und Gummibärchen sowie Luxus-Produkte wie Wachteleier.

Bauernverband rechnet mit weiter hohen Getreidepreisen

Unterdessen rechnet der Bauernverband noch für längere Zeit mit angespannten Getreidemärkten. "Wir gehen auch unabhängig von der Entwicklung in der Ukraine davon aus, dass das Preisniveau relativ hoch bleiben wird", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der Nachrichtenagentur dpa. Denn Reaktionsmöglichkeiten seien im Moment begrenzt.

"Wir haben eine Düngemittelknappheit und exorbitant hohe Düngerpreise", so Rukwied. Es gebe Unterbrechungen in den Lieferketten. Manche Maschine stehe eine Woche wegen fehlender Ersatzteile. "Insofern bleibt die schwierige Situation bestehen. Wir können wohl keinen relativ schnellen Anstieg der Produktion erwarten."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 08. Juni 2022 um 06:00 Uhr.